Das Aufräumen in Ungarn hat begonnen, Normalität wird jedoch erst in Monaten oder Jahren wieder einkehren – wenn überhaupt.

Kolontar. Als die Welle mit dem Giftschlamm kam, hatte Csaba Krebsz gerade Mittagspause. Sie war nach Hause gefahren, um die Waschmaschine anzustellen. „Plötzlich fiel der Strom aus“, beschreibt Csaba Krebsz das Geschehen in ihrem Heimatdorf Kolontar. „Ich ging hinaus und sah das ganze Dorf unter rotem Schlamm begraben. “ Ihr auf einem Hügel stehendes Haus blieb verschont, das ihrer gebrechlichen Mutter nicht.

„Sie hat nur überlebt, weil sie gerade im Garten war und die Welle kommen sah.“ Die Seniorin habe ins Haus laufen und die Tür notdürftig verbarrikadieren können, bevor der giftige Schlamm gegen das Haus krachte. Bis zu zwei Meter hoch war die Welle, die sich aus einem geborstenen Becken über den Ort in Westungarn ergoss.

Vier Menschen in Kolontar hatten weniger Glück, sie starben in den insgesamt rund eine Million Kubikmetern roter Brühe, die am Montag aus dem Speicherbecken der nahen Aluminiumhütte MAL AG geströmt waren. Mehr als hundert Menschen verbrannte die Lauge die Haut, unter anderem auch der Mutter von Csaba Krebsz.

Erste Säuberungstrupps sind am Donnerstag unterwegs. Vor der Kulisse einer über rotem Grund untergehenden Sonne spritzen Männer, in weiße Schutzoveralls gehüllt, die Straßen sauber. Polizisten und Soldaten in Schlauchbooten mühen sich, der Situation Herr zu werden. Wegen der stechenden metallischen Dämpfe tragen viele der Helfer Atemmasken.

Luftbilder zeigen das Ausmaß der Giftflut. Insgesamt waren rund 40 Quadratkilometer Land betroffen – eine Fläche größer als die Insel Pellworm (37 Quadratkilometer) und etwas kleiner als der Ammersee (46 Quadratkilometer). Intensives Rot zeigt an, bis wohin die Welle die Häuser und Bäume hoch schwappte, die Farbe lässt die Szenerie vollkommen surreal erscheinen.

Kamerateams suchen nach den besten Einstellungen, Kinder stehen aufgeregt plaudernd in Grüppchen zusammen. Für viele Menschen aber ist die Katastrophe schmerzhaft real. Einige haben Angehörige verloren, viele fragen sich, ob sie je wieder in ihren vertrauten Häusern wohnen können. Wo dies nicht möglich sei, würden Ausweichquartiere gebaut, kündigte der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban bei einem Besuch an.

Für einige Einwohner Kolontars freilich wird die neue Siedlung gar nicht weit genug weg stehen können. „All das ist am helllichten Tag passiert. Wäre es in der Nacht geschehen, wären mehr als vier Menschen tot“, sagt Csaba Krebsz. „Könntest du hier noch mal ruhig schlafen?“