Nach dem Giftunfall in Ungarn ist eine fünfte Person an den Folgen gestoben. Ein Sprecher der Katastrophenschutzbehörde sagte am Freitag, bei dem Opfer handele es sich um einen 81-jährigen Mann.

Kolontár. Das Ökosystem der Donau nahm offenbar noch keinen Schaden. Der Fluss habe die giftigen Abwässer ohne unmittelbar sichtbare Schäden aufgenommen, gaben die Behörden am Freitag bekannt. Nach neuesten Schätzungen der Regierung traten am Montag 600.00 bis 700.000 Kubikmeter Giftschlamm aus dem gebrochenen Auffangbecken aus und überschwemmten die umliegenden Dörfer.

Die Menge ist vergleichbar mit der Ölpest im Golf von Mexiko, wo 757.000 Kubikmeter ins Meer liefen. Die ungarische Regierung war zunächst von einer Million Kubikmeter Giftschlamm ausgegangen.

In den Donauanrainerstaaten werden alle paar Stunden Wasserproben entnommen. Während aber die Flüsse und Bäche in unmittelbarer Nähe des Unglücksorts von dem Rotschlamm zerstört wurden, scheint das Gift dem zweitgrößten europäischen Fluss bislang wenig anzuhaben. Der pH-Wert an der Stelle, wo das kontaminierte Wasser in die Donau fließt, lag nach Auskunft des Sprechers der Katastrophenschutzbehörde, Tibor Dobson, bei neun. Oberflächenwasser weist gewöhnlich eine pH-Wert zwischen 6,5 und 8,5 auf.

100.000 Kubikmeter neuen Giftwassers in toten Fluss eingeleitet

Offenbar um einem weiteren Unglück vorzubeugen, wurden aus einem weiteren Becken in der Nähe des Unfallorts derweil rund 100.000 Kubikmeter Abwässer in einen ohnehin bereits toten Fluss geleitet, wie Dobson der amtlichen Nachrichtenagentur MTI sagte. Hubschrauber warfen Gips über dem Fluss Marcal ab, um den alkalischen Effekt der Abwässer zu neutralisieren.

Uneinigkeit über Schwermetallbelastung

Über die Belastung des giftigen Schlamms mit Schwermetallen gibt es derweil widersprüchliche Angaben. Die ungarische Akademie der Wissenschaften hatte erklärt, dass die Schwermetallkonzentrationen in dem Rotschlamm nicht gefährlich für die Umwelt seien. Der ungarische Umweltminister Zoltán Illés sagte dagegen, dass der Rotschlamm, der eine Fläche von rund 40 Quadratkilometer bedeckt, “einen hohen Anteil an Schwermetallen“ aufweise, von denen einige krebserregend seien. Außerdem warnte er vor einer möglichen Belastung des Grundwassers.

Durch das trockene Wetter trockne der ausgetretene Rotschlamm und der entstehende Staub könne vom Wind aufgewirbelt werden und Atemprobleme verursachen, sagte Illés. “Die Akademie kann sagen, was immer sie will“, sagte Barbara Szalai Szita, die in Devecser, einem der am schwersten betroffenen Orte, wohnt. “Alles, was ich weiß ist, dass wenn ich 30 Minuten draußen verbringe, ich einen komischen Geschmack im Mund bekomme und meine Zunge sich komisch anfühlt.“ Dobson forderte die Anwohner auf, Atemschutzmasken zu tragen.

Die Umweltschützer von Greenpeace erklärten, dass der Rotschlamm “überraschend hohe“ Konzentrationen an Arsen und Quecksilber enthalte. Von ihnen am Donnerstag entnommene Proben hätten 110 Milligramm Arsen und 1,3 Milligramm Quecksilber pro Kilogramm Trockenmasse aufgewiesen. Außerdem sei in dem Schlamm 660 Milligramm Chrom pro Kilogramm enthalten. Die Chrombelastung sei demnach doppelt so hoch wie für Rotschlamm typisch. Bei Wasserproben sei außerdem ein Arsenwert festgestellt worden, der 25-fach über dem Grenzwert für Trinkwasser gelegen habe.

Auf einer Fläche von rund 810 Hektar werde man die oberste Erdschicht abtragen müssen, weil der laugenhaltige Schlamm alle Lebewesen in diesem Bereich abgetötet habe, kündigte Illés an. Die Ursache für das Unglück blieb weiter unklar. Drei Personen werden weiterhin vermisst. 150 Menschen mussten in Krankenhäusern behandelt werden, 10 befanden sich zunächst noch in kritischer Verfassung.