Die Staatsanwaltschaft hält Jörg Kachelmann für schuldig und fordert eine mehrjährige Haftstrafe. Die Verteidigung will dagegen Freispruch erwirken.

Mannheim. Im Prozess gegen den Fernsehmoderator Jörg Kachelmann forderte die Verteidigung zum Abschluss des Plädoyers einen Freispruch. Außerdem solle Kachelmann für die Untersuchungshaft sowie Durchsuchungen und Beschlagnahmen im privaten Umfeld entschädigt werden, beantragte jedenfalls Verteidiger Johann Schwenn. "Es gibt nicht einen Sachbeweis, auf den sich die Anklage stützen könnte“, sagte Schwenn. Kachelmann sagte auf die Frage, ob er ein letztes Wort wünsche: „Nein danke.“

Zuvor hat die Verteidigung sehr deutlich gemacht, dass sie im Kachelmann-Prozess keine Beweise gegen den Wettermoderator sieht. Aus „Rache und Hass“ habe die Ex-Freundin Jörg Kachelmann bewusst zu Unrecht belastet, sagte Verteidigerin Andrea Combé am Dienstag in ihrem Plädoyer. Die Frau habe sich von dem Gedanken leiten lassen: „Du hast mich vernichtet, dann vernichte ich dich auch.“ Die Nebenklägerin verfolgte das Plädoyer im Gerichtssaal. Immer wieder schüttelte sie bei den Ausführungen still den Kopf.

Combé versuchte in ihrem Plädoyer, systematisch jeden Verdacht gegen den Schweizer Moderator zu zerstreuen. Weder die Spuren auf dem Messer, mit dem Kachelmann seine Ex-Geliebte bedroht haben soll, noch die Verletzungen der Frau sind nach ihrer Ansicht geeignet, die Schuld des 52-Jährigen zu beweisen. „Es gibt keine Spuren an dem Messer, die die Version der Nebenklägerin bestätigen“, sagte Combé vor dem Landgericht Mannheim.

Der Prozess gegen Jörg Kachelmann

Auf dem Messerrücken gibt es in der Tat keine DNA-Spuren des angeblichen Opfers. Das Argument der Staatsanwaltschaft, diese seien zufällig oder bewusst abgewischt worden, widerspreche jeder wissenschaftlichen Erkenntnis, sagte die Anwältin. DNA-Spuren ließen sich nicht einfach wegwischen. „Das Messer ist als Tatwerkzeug eindeutig auszuschließen.“

Die Verteidigung geht auch davon aus, dass sich die 38-Jährige die Hämatome an ihren Oberschenkeln selbst zugefügt haben könnte. Das Argument der Staatsanwaltschaft, es gebe eine natürliche Grenze, sich selbst Schmerzen zuzufügen, ist aus Sicht der Verteidigung nicht stichhaltig. „Wer dazu bereit ist, eine Belastung wie im vorliegenden Verfahren über sich ergehen zu lassen, ist mit Sicherheit auch dazu bereit, sich physisch erhebliche Schmerzen beizufügen“, sagte Combé.

Die Pflichtverteidigerin versuchte auch, die Persönlichkeit der ehemaligen Geliebten zu sezieren. Diese hatte eingestehen müssen, dass sie hinsichtlich der Vorgeschichte der angeblichen Tat in ihren ersten Vernehmungen gelogen hatte. Dies, sagte Combé, zeige die „Kaltschnäuzigkeit“ und das „schauspielerische Talent“ der Frau. Die 38-Jährige hatte unter anderem später eingeräumt, dass sie bereits länger Kontakt zu einer Ex-Geliebten Kachelmanns hatte, als zunächst behauptet. „Das Verhalten der Zeugin zeigt deutlich, dass sie Lügen erfinden und aufrechterhalten kann.“

Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft ist die Schilderung der Frau dennoch glaubhaft, was den Tatvorwurf anbelangt. Die Anklage hatte vergangene Woche vier Jahre und drei Monate Haft für den Wettermoderator gefordert. Der 52-Jährige bestreitet die Vorwürfe. Die Plädoyers sollen am Nachmittag fortgesetzt werden. Das Landgericht will sein Urteil am kommenden Dienstag (31. Mai) verkünden.

Kachelmann-Anwalt Schwenn im Porträt: Ruhig im Ton, deutlich in der Sache

Im eleganten dreiteiligen Anzug mit passender Krawatte, so pflegt der Hamburger Staranwalt Johann Schwenn vor dem Landgericht Mannheim aufzutreten. In hanseatisch-ruhigem Ton, aber deutlich in der Sache verteidigt er Jörg Kachelmann. Der 64-Jährige lässt keinen Zweifel daran, dass die Spurenlage von Anfang an „nicht das Geringste“ hergegeben habe. Schwenn legte sich während des Prozesses mit Gericht, Staatsanwaltschaft und Medien an. Beim Plädoyer am Dienstag überließ der redegewandte Jurist allerdings seiner Kollegin Andrea Combé den Vortritt.

Denn Schwenn war erst nachträglich in das Verfahren eingestiegen. Ende November trennte sich Kachelmann überraschend von seinen Anwälten Reinhard Birkenstock und Klaus Schroth - und mandatierte Schwenn. Ein ehemaliger Mandant soll ihm den Hamburger Verteidiger empfohlen haben. Der ging sofort auf Konfrontationskurs: Die Staatsanwälte nannte er „um einiges verdächtiger als Herr Kachelmann“, den Therapeuten des mutmaßlichen Opfers bezeichnete er als „Scharlatan“. Er beantragte, die Redaktionen der Zeitschriften „Bunte“ und „Focus“ zu durchsuchen, weil er eine Medienkampagne vermutete.

Gelegentlich rügte er die Richter, wenn sie - seiner Meinung nach - einen unpassenden Gesichtsausdruck machten. Kachelmann ist nicht der erste prominente Mandant des 64-Jährigen: Schwenn vertrat unter anderem Markus Wolf, Jan Ullrich, Gregor Gysi und Jan-Philipp Reemtsma.

(dpa)