Über 41 Tage wurden die Vorwürfe der Vergewaltigung von “Sabine W.“ gegen Jörg Kachelmann verhandelt. Am 31. Mai soll das Urteil fallen.

Mannheim. Beim Film würde man sagen: Die Sache ist im Kasten. Alle Szenen sind abgedreht. Das Landgericht Mannheim hat am Mittwoch nach mehr als acht Monaten die Beweisaufnahme im Prozess gegen Jörg Kachelmann beendet. Nun kommt nichts Neues mehr dazu. Jetzt geht es nur noch um die Interpretation.

Beim Film ist es so, dass eine richtige Geschichte erst entsteht, indem man beim Schnitt die einzelnen Szenen aneinanderfügt. Aus demselben Rohmaterial lassen sich also ganz unterschiedliche Geschichten erzählen. Es ist zu erwarten, dass es im Prozess gegen Jörg Kachelmann nicht anders sein wird.

Aus Sicht der Staatsanwaltschaft scheint die Sache klar zu sein: Jörg Kachelmann hat in der Nacht zum 9. Februar 2010 seine ehemalige Geliebte - die in den Medien meist "Sabine W.“ genannt wird – mit einem Küchenmesser bedroht und vergewaltigt.

Die Staatsanwaltschaft versucht den Eindruck zu erwecken, als sei sie sich ihrer Sache sicher. Noch vergangene Woche stellte Staatsanwalt Lars-Torben Oltrogge einen Beweisantrag, der nur dann Sinn hätte, wenn Kachelmann verurteilt würde: Er wollte Zeugen zu angeblichen Medienkontakten der Kachelmann-Seite vernehmen lassen. Damit sollte bewiesen werden, dass der Moderator zumindest indirekt Anteil an der Berichterstattung über den Prozess hatte – was allenfalls bei der Bemessung der Strafe eine Rolle spielen könnte, also nur dann, wenn er verurteilt wird. Das Landgericht Mannheim lehnte den Antrag am Mittwoch allerdings ab.

Auf der anderen Seite scheint Kachelmanns Verteidiger Johann Schwenn, der anfangs einen gewissen Zweckpessimismus zeigte, nun jedenfalls nach außen recht zuversichtlich, dass sich die Sache zugunsten seines Mandanten gedreht haben könnte – um nicht zu sagen: dass er die Sache gedreht haben könnte. Er habe "keinen Anlass in Depression zu verfallen“, sagte Schwenn am Rande der Verhandlung am Mittwoch, "im Gegensatz zu der Prognose zur Jahreswende“.

Neutrale Beobachter stehen vor dem Problem, dass große Teile des Prozesses unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandelt wurden. Die gesamte Aussage des mutmaßlichen Opfers – deren Glaubhaftigkeit der entscheidende Punkt des ganzen Verfahrens ist – fand ebenso hinter verschlossenen Türen statt wie fast alle Aussagen der zahlreichen ehemaligen Geliebten des Moderators. Auch die psychologischen Gutachter trugen ihre Ergebnisse zum Teil in nichtöffentlicher Sitzung vor.

Nach dem aber, was sich aus dem öffentlichen Teil schließen lässt, dürften Kachelmanns Chancen nicht schlecht stehen: Einen eindeutigen Beweis für seine Unschuld gibt es nicht – wohl aber gewichtige Zweifel an der Darstellung des mutmaßlichen Opfers. Die drei rechtsmedizinischen Gutachter kommen – bei Unterschieden in der Bewertung der Wahrscheinlichkeit – alle zu dem Ergebnis, dass sich Sabine W. ihre Verletzungen an Hals und Oberschenkeln selbst zugefügt haben könnte. Auch die DNA-Spuren am angeblichen Tatmesser scheinen nach der Aussage eines Experten des Landeskriminalamts nicht so recht zum geschilderten Tathergang zu passen.

Die psychologischen Sachverständigen wiederum sind sich weitgehend einig, dass die Glaubwürdigkeit der Aussage von Sabine W. sich mit den Methoden der Aussagepsychologie jedenfalls nicht bestätigen lässt. Klar ist, dass Sabine W. bei der Polizei und der Staatsanwaltschaft zur Vorgeschichte der angeblichen Tat zum Teil falsche Angaben machte, die sie erst korrigierte, als es schon fast zu spät war.

Insofern unterscheidet sich die Lage auch nach 41 Verhandlungstagen nicht wesentlich von der Situation vor Prozessbeginn. Damals hatte das Oberlandesgericht Karlsruhe einen dringenden Tatverdacht verneint und Kachelmann aus der Untersuchungshaft freigelassen. Wenn das Landgericht dieselben Maßstäbe anlegt – und wenn nicht unter Ausschluss der Öffentlichkeit irgendetwas schwer Belastendes herausgekommen sein sollte – dann müssten die Richter Kachelmann am 31. Mai freisprechen.