Am Pegel Ratzdorf ist die Oder nur wenige Zentimeter von der verheerenden Flut von 1997 entfernt. Die Brücke nach Polen bleibt vorerst geöffnet.

Frankfurt (Oder). Das Oder-Hochwasser hat in Brandenburg mit einem Pegel von deutlich über sechs Meter seinen Höhepunkt erreicht. Nach dem Landkreis Oder-Spree wurde am Freitag auch in der Grenzstadt Frankfurt (Oder) die höchste Alarmstufe 4 ausgerufen. Nun heißt es für die Helfer auch dort: Deiche und Dämme, die von Überflutungen bedroht sind, müssen pausenlos beobachtet werden. Zugleich waren am Freitag erste Deichschäden zu beklagen – etwa in der Nähe des Polders Ratzdorf (Oder-Spree), an dem das Wasser seinen Scheitelpunkt erreicht hat und wo Oder und Neiße zusammenfließen.

Der Schaden – ein mehrere Meter langer Riss aus der Nacht – wurde nach Angaben des Innenministeriums bereits am Vormittag mit Reisig und Sandsäcken ausgebessert. „Der Deich ist in seinem Wesen nicht gefährdet“, sagte Innenminister Rainer Speer (SPD). Am Nachmittag wurde bei Schwedt (Oder) ein Polder geöffnet, um die Lage auch im Oderbruch, einem stark überschwemmungsgefährdeten Landstrich, stabil zu halten. „Besonders unsere polnischen Nachbarn in der Stadt Szczecin (Stettin) sollen hierdurch entlastet werden“, sagte der Präsident des Landesumweltamtes, Matthias Freude, in Zollbrücke. Noch am Abend sollte eine weitere Polderfläche gezielt überflutet werden. Insgesamt handelt es sich um 4500 Hektar.

Am Pegel Ratzdorf , an dem derzeit das aus Polen kommende Wasser seinen Höchststand erreicht hat, wurden seit dem frühen Freitag relativ konstante Werte gemessen. Um 15 Uhr waren es 6,27 Meter, in der Nacht ein bis zwei Zentimeter mehr. Bei der verheerenden Oderflut von 1997 lagen die Maximalwerte bei 6,91 Meter. In der Stadt Frankfurt (Oder) stand das Wasser um 14 Uhr nur knapp unter der kritischen Marke von 6 Meter, wie das Hochwassermeldezentrum mitteilte. Dennoch hatte sich die Stadt entschieden, die Alarmstufe 4 auszurufen. Besonders gefährdete Straßenzüge stehen bereits seit der Nacht unter Wasser. Damit die Deiche nicht überflutet werden, wurden Spundwände hochgezogen. Außerdem liegen tausende von Sandsäcken für den Notfall bereit.

Auch am Freitag waren Politiker an der Oder unterwegs, um sich über die Lage zu informieren. In Zollbrücke (Märkisch-Oderland) betonte Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD), dass das Oderbruch sehr gut auf die aktuelle Flutwelle vorbereitet sei. Heute stünden dort hochmoderne Deichanlagen. „Die Wackelpudding-Erscheinungen der Deiche, wie wir sie hier 1997 flächendeckend hatten, können wir eigentlich ausschließen.“ Umweltministerin Anita Tack (Linke) begleitete den Regierungschef auf seiner Tour.

Auch wenn die Lage im eigenen Land ernst ist, hilft Brandenburg Polen im gemeinsamen Kampf gegen die Oderflut. Die benachbarten Woiwodschaften Lebuser Land und Westvorpommernland erhielten drei Boote, drei Notstrom-Aggregate und 600.000 Sandsäcke, teilte das Finanzministerium am Freitag in Potsdam mit. Dafür seien mehr als 100.000 Euro freigegeben worden.

Bei Slubice, der polnischen Nachbarstadt Frankfurts (Oder), wurden bereits zwei Dörfer evakuiert. Teile der Stadt liegen tiefer als die Oder. Schulen und Kindertagesstätten sind geschlossen. Bisher haben die Deiche aber auch dort gehalten. Die Stadtbrücke, die Frankfurt (Oder) mit Slubice verbindet, sollte nach derzeitigem Stand nicht geschlossen werden. „Von deutscher Seite sehen wir keine Gefahr“, sagte dazu Stadt-Sprecher Häseker. Es müsse aber beobachtet werden, wie sich die Lage auf der anderen Seite der Oder entwickele.

Weiter nördlich in Brandenburg verschärfte sich die Lage unterdessen. In der Uckermark sollte am Nachmittag verboten werden, die Deiche zu betreten, wie der Landkreis mitteilte. Vermutlich werde Alarmstufe 3 ausgerufen. Diese gilt bereits in Märkisch-Oderland.