HSV-Stürmer Mladen Petric musste 63 Minuten lang auf der Bank schmoren, ehe er zwei Minuten vor Schluss für den erlösenden Ausgleich sorgte.

Hamburg. Armin Veh wusste ganz genau, bei wem er sich zu bedanken hatte. Noch bevor Mladen Petric seinen Interviewmarathon unterhalb der Südtribüne des Millerntor-Stadions starten konnte, schnappte sich der Trainer den Torschützen des - aus HSV-Sicht - erlösenden 1:1-Ausgleichs, drückte ihn kurz an sich und gab ihm einen herzlichen Klaps mit auf den Weg. Petric schien für den Bruchteil einer Sekunde nicht genau zu wissen, wie er den ungewohnten Gefühlsausbruch seines Vorgesetzten erwidern sollte, lächelte dann etwas schüchtern und machte sich auf den Weg zu den zahlreichen Kamerateams, die längst auf ihn warteten.

"Natürlich bin ich mir der Bedeutung meines Treffers für den ganzen Verein bewusst", sagte der Torjäger wenig später, als er sein zunächst abhandengekommenes Selbstbewusstsein längst wiedergefunden hatte: "Ich glaube schon, dass ich dafür gesorgt habe, dass der eine oder andere Fan nun einen etwas entspannteren Montagmorgen vor sich hat."

Petric spielte zum dritten Mal in Folge nicht von Anfang an

Dabei sah es für ihn selbst zunächst weder nach einem erfolgreichen Wochenausklang noch nach einem entspannten Start in die neue Woche aus. Zum dritten Mal in Folge erlebte Petric den Anpfiff neben statt auf dem Spielfeld. Wie bereits gegen Eintracht Frankfurt und in der zweiten Halbzeit gegen den 1. FC Nürnberg setzte HSV-Trainer Veh zunächst auf den von ihm so geschätzten Paolo Guerrero. Erst als der Peruaner eine gute Stunde mehr schlecht als recht über den Platz gestolpert war, entschied sich Veh, seinen zuletzt nicht uneingeschränkt geliebten Star zu bringen. Eine Maßnahme, die zunächst nur eins brachte: nichts. Denn ähnlich wie sein unglücklich agierender Vorgänger konnte sich auch Petric nicht wirklich in Szene setzen. Der sensible Kroate, ein Gefühlsmensch durch und durch, wirkte nach seinem jüngsten Reservistendasein gehemmt und verunsichert. "Die vergangenen Wochen waren nicht einfach für mich. Auf der Bank ist es für jeden Spieler schwierig, aber bei so einem Derby ist es noch mal härter", gab der 29-Jährige später ganz unverblümt zu.

Allerdings hätte Petric wahrscheinlich auch gar keinen Einblick in sein Seelenleben gegeben, hätten sich in der 88. Spielminute nicht ein paar glückliche Fügungen und ein eigener Geistesblitz erfolgreich gepaart. Ein geschicktes Nachsetzen Ruud van Nistelrooys, eine misslungene Abwehraktion Zambranos und ein traumhafter Volleyschuss aus 20 Metern sorgten dann aber doch für einen endlich positiv gestimmten Petric. "Vielleicht kann das ein kleiner Neuanfang für mich sein", sagte der Stürmer, als er sein Tor wieder und wieder Revue passieren lassen sollte.

Dabei dürfte Petric nicht vergessen haben, dass es keinen Monat her ist, als der HSV sehr intensiv überlegt hatte, den Angreifer an den VfB Stuttgart abzugeben. Sogar ein eilig einberufener Krisengipfel zwischen Klubchef Bernd Hoffmann und Petric-Berater Volker Struth musste her, um die Wogen zu glätten. Der uneingeschränkten Wertschätzung seiner Kollegen durfte und darf sich Petric dagegen sicher sein. Torhüter Frank Rost sprach davon, dass es kein Zufall sei, dass ausgerechnet Petric traf, Marcell Jansen redete von einem "Traumtor", und van Nistelrooy beschwor sogar höhere Mächte: "Wir können glücklich sein, dass Mladen so ein Tor herbeizaubern konnte." Als der im Mannschaftskreis auch als Magier bekannte Petric hörte, dass David Jarolim gar eine Kerze für ihn anzünden wolle, schien ihm die allgemeine Lobhudelei für einen kurzen Moment fast ein wenig unangenehm zu sein. "Ich versuche alles zuvor Geschehene nun beiseitezuschieben", sagte Petric, ehe er sich schließlich als letzter Profi auf den Weg in die Kabine machte.

Trainer Veh bestreitet besondere Beziehung zu seinem Stürmer

Ob Petric aber tatsächlich alles zuvor Geschehene beiseiteschieben kann, hängt maßgeblich auch vom zukünftigen Geschehen und Trainer Veh ab. "Ich freue mich für jeden Spieler, der für uns ein Tor erzielt. Wir haben ja nichts miteinander, auch wenn das immer so dargestellt wird", beantwortete Veh die Frage, ob es eine besondere Note hatte, dass ausgerechnet Petric das Tor geschossen hatte. Der HSV-Trainer kennt die Launen seines Stürmers mindestens genauso gut wie die Medienlandschaft, die genüsslich darüber berichtet. Beides hält er für wenig hilfreich, doch mit beidem muss er sich arrangieren.

Eine erste Bewährungschance für das "völlig normale" Verhältnis zwischen Veh und Petric gibt es bereits in zwei Tagen, wenn der HSV den VfL Wolfsburg empfängt. Muss der Kroate den Anstoß erneut auf der Bank statt auf dem Spielfeld erleben, dürfte ihn auch kein Klaps mehr trösten.