Das 0:0 besiegelte, was so gut wie sicher war: Die EM im kommenden Jahr findet ohne die Türkei statt. Hiddink muss gehen. Kommt nun Voigts?

Istanbul. Es hatte sich abgezeichnet. Einen Tag, nachdem besiegelt war, dass die Türkei im kommenden Jahr bei der Europameisterschaft nur zusehen darf, trennte sich der Verband TFF von seinem Trainer Guus Hiddink. Das magere 0:0 im Rückspiel gegen Kroatien war zu wenig, um dem "fliegenden Holländer" seinen Job zu retten. Offiziell fand die Auflösung des bis Sommer 2012 datierten Arbeitspapieres im "gegenseitigen Einvernehmen" statt. 3,2 Millionen Euro kolporierter Abfindung dürften die Entscheidung für den 65-jährigen Niederländer erträglich gemacht haben.

Wer Hiddink beerben soll, wird nun diskutiert. Während die Gerüchte nur so aus dem Boden spriessen, will der Verband "in den kommenden Tagen" Informationen vermitteln. Nach der völlig verkorksten EM-Qualifikation war Hiddinks aus als türkischer Nationaltrainer absehbar. In der Gruppenphase gab es eine 0:1-Blamage gegen Aserbaidschan, gegen Deutschland (0:3 und 1:3) war der EM-Halbfinalist von 2008 ebenfalls chancenlos. In den Play-offs gegen Kroatien war die Entscheidung eigentlich schon nach dem 0:3 im Hinspiel in Istanbul gefallen.

„Hiddink hat sich schon in der Kabine von seinen Spielern verabschiedet“, schrieb die türkische Tageszeitung Hürriyet am Mittwoch und nahm die Trennung vorweg. Das Team sei am Ende. „Die Mannschaft braucht jetzt einen Heiler“, hieß es. Als Nachfolger wurden neben Ex-Bundestrainer Berti Vogts die Liga-Trainer Abdullah Avci (Istanbul BB) und Ertugrul Saglam (Bursaspor) gehandelt.

„Hiddink verspottet den türkischen Fußball“, schrieb Türkspor und holte die Keule raus. „Wir sind mit unserem Fußball unter diesem Trainer in die 80er Jahre zurückgefallen. Kein Plan, kein Elan, keine Vision.“ Beim 0:0 im Rückspiel von Zagreb am Dienstagabend ließen die Türken wieder mal Kampfwille und Spielintelligenz vermissen.

Hiddink selbst blieb zunächst gelassen und beschäftigte sich schon mal mit möglichen neuen Jobs. „Ich würde nicht mehr so gerne im Rampenlicht stehen. Vielleicht arbeite ich irgendwo als Berater“, sagte der 65-Jährige: „Mein Alter ist ein weiterer Faktor“, meinte der Niederländer. Der Coach hatte zuletzt auch gegen den türkischen Verband geschossen. Das System sei fehlerhaft, junge Spieler könnten sich auf dem Weg in die Nationalelf nicht richtig entwickeln.

Weiterhin heiß gehandelt als Nachfolger wird Vogts. Der frühere deutsche Nationaltrainer wollte sich jedoch - wohlwissend um die Brisanz seiner Aussagen - am Dienstag in Berlin nicht äußern. Nach dem Testspiel seines Nationalteams Aserbaidschan bei Zweitligist Union Berlin (0:1) ließ sich Vogts auf der Pressekonferenz entschuldigen. Er sei erkältet.

Dafür kam Co-Trainer Olaf Janßen, der jedoch alle Gerüchte zurückwies. Sein Chef beschäftige sich nicht mit einem Wechsel. „Wir werden jetzt wie in den vergangenen Jahren auch zum Jahresende eine Analyse unserer Arbeit vornehmen. das liegt vor uns“, meinte Janßen. Vogts hatte zuletzt durchblicken lassen, dass er wegen des Dauerstreits mit den Klubs in Aserbaidschan seinen zum Jahresende auslaufenden Vertrag nicht verlängern wollte.

Türkeis Sportminister Suat Kilic forderte einen türkischen Landsmann als neuen Nationaltrainer. „So anerkannt Hiddink auch ist, er verstand unsere Spieler und unser Land nicht richtig. Deshalb war er so erfolglos“, sagte Kilic.

Hiddink war seit dem 1. August 2010 Nationaltrainer der Türkei. Zuvor hatte er bei früheren WM-Endrunden mit den Nationalteams von Südkorea (Platz vier 2002) und mit Australien (Achtelfinale 2006) für Aufsehen gesorgt. Außerdem trug für die russische Auswahl die Verantwortung, konnte aber auch dort nicht die großen Erwartungen erfüllen. 2009 agierte er in Personalunion zwischenzeitlich als Chefcoach des englischen Top-Klub FC Chelsea und gewann mit den Londonern den FA-Cup. Als Klub-Trainer arbeitete Hiddink u.a. bei Real Madrid, PSV Eindhoven und FC Valencia.

Trost fand Hiddink direkt nach dem Spiel zunächst bei Trainer-Kollege Slaven Bilic. „Ich habe ihm gesagt, dass es eine Schande für den Fußball wäre, wenn er ausscheidet“, sagte Bilic. „Er ist ein Gentleman, ein großer Coach und ein brillanter Mann. Wenn ich jemand als Trainer bewundere, dann ihn“, so Bilic. (sid/abendblatt.de)