Gegen die Niederlande absolviert der Bundestrainer heute in Hamburg seine 75. Partie. Beim DFB hat er eine neue Spielkultur entwickelt.

Hamburg. Joachim Löw saß entspannt zu Hause. Er hatte es sich in seinem Sessel bequem gemacht, den Fernseher eingeschaltet und „vermutlich mit einem Glas Rotwein“, wie der Bundestrainer sagt, das Länderspiel der deutschen Fußball-Nationalmannschaft gegen die Niederlande im ausverkauften Hamburger Stadion verfolgt. Das war am 21. Juni 1988, als die DFB-Elf unter der Leitung von Franz Beckenbauer das EM-Halbfinale gegen den benachbarten Rivalen und späteren Titelträger mit 1:2 verlor.

Löw war damals Zweitligaprofi beim SC Freiburg, stand dort vor seiner letzten Saison und sollte ein Jahr später in die Schweiz wechseln. Dass es der gelernte Groß- und Außenhandelskaufmann 20 Jahren später besser machen würde als Beckenbauer 1988, indem er die DFB-Elf in ein EM-Finale führen sollte, war damals selbstverständlich nicht vorstellbar. Inzwischen hat sich das geändert, die deutsche Nationalmannschaft ohne Löw scheint nicht mehr vorstellbar zu sein. Mindestens bis 2014 wird er im Amt bleiben und voraussichtlich in den kommenden Jahren noch zahlreiche Rekorde aufstellen.

Das Länderspiel an diesem Dienstag gegen die Niederlande war bereits das 75. in der Ära des 51-Jährigen. Als Jürgen Klinsmann nach der WM 2006 zurückgetreten war, übernahm der einstige Assistent, wurde am 12. Juli offiziell vorgestellt und begann umgehend seine Erfolgstour: Fünf Siege zum Start – gegen Schweden, Irland, San Marino, Georgien und die Slowakei – das hatte noch nie ein Bundestrainer geschafft.

Der aktuelle Vertrag von Löw endet nach der Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien. Bis dahin sind es im optimalen Fall, also beim Erreichen des EM-Finals 2012, der Teilnahme am Konföderationen-Pokal 2013 und dem Einzug ins WM-Endspiel 2014, noch 45 Länderspiele. Dann käme er auf 120 – mehr haben nur Helmut Schön (139) und Sepp Herberger (167) als Cheftrainer des DFB absolviert. Im vorigen Jahr, vor der WM nach Streitigkeiten mit DFB-Präsident Theo Zwanziger, spielte Löw mit dem Gedanken, die Brocken hinzuwerfen. Inzwischen sind alle Konflikte wieder beseitigt. Wer sagt denn, dass nach dem WM-Turnier in Brasilien wirklich schon Schluss sein soll? „Im Moment denken wir nur bis 2014. Aber dann muss man überlegen, was noch zu erreichen ist. Wir werden sehen, wieviel Feuer dann noch in uns brennt“, sagte Teammanager Oliver Bierhoff, dessen Vertragslaufzeit mit der von Löw übereinstimmt.

Aktuell spricht der Erfolg zumindest aktuell für den ewigen Löw: Mehr als 2,2 Punkte holt die deutsche Elf im Schnitt unter dem aktuellen Trainer, so viele wie noch nie in der Geschichte des DFB. Entsprechend ungefährdet qualifizierte sich die Nationalmannschaft für die EM-Endrunden 2008 und 2012 – letzteres mit einem Rekord von zehn Siegen aus zehn Spielen – sowie für die WM 2010. „Wir haben eine große Konstanz in unser Spiel bekommen, und zahlreiche junge Spieler herangeführt und integriert“, sagt Löw. „Die Mannschaft hat spielerisch und taktisch noch einmal deutlich zugelegt.“

Das spricht für eine rosige Zukunft der Nationalmannschaft, zumal weitere junge Talente nachrücken: Die U17-Auswahl begeisterte im Sommer bei der WM in Mexiko, wurde Dritter und musste sich im gesamten Turnier nur dem Gastgeber und späteren Weltmeister Mexiko geschlagen geben. Was jetzt noch fehlt, ist wieder einmal ein Titel bei den Großen: Vize-Europameister und WM-Dritter wurde die Mannschaft unter Löw – 2012 soll nach 16 Jahren endlich wieder ein Pokal gewonnen werden.