Gegen den THW Kiel wollen die HSV-Handballer heute (16.30 Uhr im Liveticker auf abendblatt.de) ihre erfolgreiche Saison krönen.

Hamburg. 90 Minuten vorher werden sie sich wieder im "Platinum-Restaurant" der O2 World Hamburg zum Kaffeetrinken treffen. Danach werden sie herüberschlendern in die benachbarte Volksbank-Arena. Der eine wird dort schon ein wenig Kontakt mit dem Ball aufnehmen, der andere Ablenkung in einem Buch suchen, der Dritte vielleicht ein paar Kräftigungsübungen machen. Und wenn es nur noch 45 Minuten bis zum Anpfiff sind, werden sie in der Kabine zur Besprechung wieder zusammenkommen. Anschließend geht es zum Aufwärmen aufs Spielfeld und ein letztes Mal in die Kabine. Und dann, um kurz vor halb Fünf, wird sie der Hallensprecher namentlich aufrufen, aber nur die Vornamen, die Nachnamen dürfen die Fans skandieren.

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Am Sonnabend wird also alles sein wie immer, wenn der Handball-Sport-Verein Hamburg ein Heimspiel hat. Und doch wird diesmal nichts so sein wie sonst. Die Partie gegen den deutschen Rekordmeister THW Kiel ist nicht weniger als die größte sportliche Herausforderung der achtjährigen Existenz dieses Klubs. Ein Sieg, und der Tabellenführer könnte sechs Tage später gegen die TSV Hannover-Burgdorf die erste deutsche Meisterschaft feiern. Eine Niederlage, und der Titelverteidiger aus dem Norden würde dem Pokalsieger die Silberschale noch aus der Hand reißen, wieder einmal.

Selten in der Bundesliga-Geschichte hat sich eine Saison derart zugespitzt - auf ein Finale drei Spieltage vor ultimo. Und nie war das Interesse so groß. Das Gipfeltreffen hoch im Norden wird in 35 Länder übertragen, der Rest der Welt kann sich über den kostenlosen Internet-Livestream von Sport1.de zuschalten. "Die Vorfreude ist groß", sagt der Hamburger Kapitän Pascal Hens.

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Wie groß die Nachfreude wird, liegt auch in seiner Hand. Und natürlich gilt es Filip Jicha zu stoppen, der nicht wenige Kieler Spiele aus dem Rückraum allein entschieden hat. Vor allem aber wird es auf die Torhüter ankommen. Der Kieler Thierry Omeyer gilt als der Beste dieses Fachs. Im Hinrundenduell kurz vor Weihnachten aber lief ihm das Hamburger Gespann Johannes Bitter/Per Sandström den Rang ab. Am Ende stand es seinerzeit trotzdem unentschieden 29:29, die Entscheidung war vertagt - auf ebendiesen 22. Mai.

"Einfach so zu spielen, wie wir es schon das ganze Jahr machen", so lautet Hens' Empfehlung. Das sagt sich leicht. Beim HSV hat sich nicht nur der sportliche Leiter Christian Fitzek für die vergangene Woche Business as usual in den Terminplan geschrieben: "Der Hype ist auch so groß genug." Dem entziehen konnte sich kaum jemand, selbst altgediente Geschäftsstellenmitarbeiter klagen über Schlafstörungen.

Es ist eben auch ein Gipfel der nervlichen Anspannung. Sie ist in Hamburg noch etwas gewachsen, nachdem kürzlich der Wechsel Krzysztof Lijewskis zu den Rhein-Neckar Löwen bekannt wurde. Als Ersatz ist nun auch der Gummersbacher Adrian Pfahl im Gespräch.

In Kiel gibt man sich betont entspannt. Das mag daran liegen, dass der THW nach den Abgängen der Führungsspieler Nikola Karabatic und Thierry Omeyer schon jetzt mehr erreicht hat, als ihm viele zugetraut hätten. Sicher ist auch beruhigend zu wissen, dass man am kommenden Wochenende in der Champions-League-Endrunde eine weitere Chance hat. "Aber die Kieler haben genauso viel zu verlieren und zu gewinnen wie wir", glaubt Fitzek. Eine titellose Saison hat man letztmals 2003 verbuchen müssen.

Seither hat Kiel fünfmal die Meisterschaft, dreimal den Pokal und je einmal Champions League und EHF-Cup gewonnen. Diese Erfolge mögen Trainer Alfred Gislason die Gelassenheit verleihen, Ausfälle wie die von Kim Andersson und womöglich Momir Ilic mit den Worten zu quittieren: "Meine verbliebenen Jungs machen das schon."

Er glaubt, dass der HSV mehr unter Druck steht. Doch den Hamburgern würde schon ein Unentschieden reichen, um vorn zu bleiben. Dann ginge die Nervenschlacht bis 5. Juni weiter.

Der HSV hat den Vertrag mit Hauptsponsor Vattenfall im bestehenden Umfang um ein Jahr bis 2012 verlängert.