Der Kopf spielt eine entscheidende Rolle im Sport. Dennoch sind Mentaltrainer bei Vereinen eine Seltenheit.

Hamburg. Dass der gesunde Geist in einen gesunden Körper gehören möge, wünschten sich die alten Römer; dass mental wichtig ist, lehrte uns der deutsche Tennisspieler Boris Becker. Welche Rolle der Kopf im Sport spielt, wissen wir immer noch nicht genau, nur so viel scheint uns klar: Es ist eine bedeutende.

Wobei wir bei den Handballern des HSV wären. Die verloren in der Champions League bei Titelverteidiger Ciudad Real. Das kann passieren, sind die Spanier mit Weltmeistern und Olympiasiegern doch ebenso gesegnet wie die Hamburger. Eins aber unterscheidet beide Teams: Ciudad Real hat alle wichtigen Titel bereits mehrmals gewonnen, der HSV ist Mitte April gerade zum zweiten Mal deutscher Pokalsieger geworden. Die Sehnsucht im Klub nach Triumphen in Champions League und nationaler Meisterschaft ist ähnlich groß wie beim westdeutschen Fußballverein Schalke 04. Der wartet seit 1958 auf die nationale Meisterschaft; die HSV-Handballer sind zum Glück erst siebeneinhalb Jahre alt.

Diese beiden sportlichen Schicksalslinien weisen jetzt erstaunliche Parallelen auf. Schalke spielte in dieser Saison immer dann besonders schlecht, wenn die Chance auf den Titelgewinn am größten war. Erinnert sei an den blutleeren Auftritt beim 1:2 gegen Bayern München oder das peinliche 2:4 bei Hannover 96, als sich die Gelsenkirchener die Bälle selbst ins Tor schossen. Die Hamburger Handballer wiederum, im Gegensatz zu den Fußballern des HSV charakterlich über jeden Verdacht erhaben, blieben am Sonntag in Ciudad Real weit unter ihren Möglichkeiten. Weil sie aus dem Viertelfinalhinspiel einen Vorsprung von vier Toren zu verteidigen und plötzlich viel zu verlieren hatten?

Nun haben Spitzensportler längst begriffen, dass sie sich auf ihre Aktion und nicht auf die Situation fokussieren sollen. Sie sollen sich konzentrieren, statt zu reflektieren, sie sollen dem Bedeutung geben, was im Hier und Jetzt auf dem Spielfeld passiert. Träume gehören ins Schlafzimmer. Das ist natürlich leichter gesagt als getan, steuert das Unbewusste doch zu einem hohen Prozentsatz die Handlungen des Menschen. Die Synchronisation von Gedanken und Gefühlen mit den Erfordernissen sportlicher Handlungen ist ein komplexer Prozess, der die sportartenspezifische Kompetenz von Trainern übersteigt. Während die Vereine die Hilfe von Torwart- und Athletiktrainern wie selbstverständlich in Anspruch nehmen, pflegen sie weiter Berührungsängste mit Mentaltrainern. Es ist schon erstaunlich: Muskeln, Sehnen, Reflexe und Reaktionen werden über Jahre trainiert, jenes Organ aber, das alles steuert, wird sträflich vernachlässigt. Erfolg beginnt ganz oben, im Kopf. Dort, wo der Fisch anfängt zu stinken.