Der Tabellenführer HSV trifft am Sonnabend auf den Titelverteidiger THW Kiel. Aber HSV-Präsident Rudolph hat ganz andere Sorgen.

Hamburg. Andreas Rudolph, 55, wirkt entspannt. Zwischen zwei Geschäftsterminen am Flughafen Fuhlsbüttel plaudert der Präsident der HSV-Handballer bei Spargel, Bratkartoffeln und Beefsteak Tatar über das Gipfeltreffen zwischen Tabellenführer HSV (57:5 Punkte) und Titelverteidiger THW Kiel (56:6) am Sonnabend (16.30 Uhr, Sport1 live). "Ich bin sich, dass wir gewinnen", sagt Rudolph. Mehr Sorgen macht er sich um die Bundesliga: "Der Liga fehlt es an Geld."

Abendblatt: Herr Rudolph, wie wichtig ist das Spiel gegen den THW Kiel für die Entwicklung des HSV?

Andreas Rudolph: Diese Begegnung hat keine überhöhte Bedeutung für den Verein, sondern nur eine rein sportliche. Wir wollen Meister werden. Wir stehen 70 Prozent dieser Bundesligasaison an der Tabellenspitze, jetzt müssen wir die Chance, die sich uns bietet, auch nutzen. Alles andere wäre eine große Enttäuschung. Schließlich ist es nicht abzusehen, wann wir wieder eine ähnliche Möglichkeit erhalten werden.

Welche Türen würden sich für den HSV mit dem Titelgewinn neu öffnen?

Keine, die uns nicht bereits offensteht.

Also ist die Meisterschaft gar nicht so wichtig für den Verein?

Die Meisterschaft in der besten Handball-Liga der Welt ist der höchste Titel, den wir erringen können. Ich würde ihn noch über den Gewinn der Champions League stellen, weil er einen größeren sportlichen Wert hat.

Das müssen Sie erklären.

In der Champions League gibt es weiter viele Unabwägbarkeiten. Das beste Team über eine gesamte Saison zu sein, stellt eine größere Leistung dar.

Sie sind seit Ende 2004 Präsident der HSV-Handballer, haben den Verein bei Ihrem Amtsantritt vor der Insolvenz gerettet und bis heute rund 20 Millionen Euro in ihn investiert. Steht der Klub inzwischen dort, wo Sie ihn haben wollen?

Wirtschaftlich ja. Wir haben die Ziele erreicht, die ich mir gestellt habe. Die Entwicklung bei Zuschauern und Sponsoren ist überaus positiv. Sportlich haben wir durch Pech und manchen Blackout einige Möglichkeit vergeben. Auf der anderen Seite sind wir zweimal Pokal- und einmal Europapokalsieger geworden und haben zweimal den Supercup gewonnen. Wenn wir jetzt Meister würden, wäre dies das i-Tüpfelchen auf diese Erfolge.

So geduldig, wie Sie jetzt klingen, sind Sie doch gar nicht.

Ich habe sehr viel Geduld, im Geschäftsleben und im Sport. Ich setze auf Kontinuität. Alles andere führt nicht zum Ziel. Was Sie meinen: Ich bin situativ ungeduldig. Diese Phase aber beschränkt sich bei mir bei unseren Handballspielen auf die Zeit von 30 Minuten vor dem Anwurf bis 30 Minuten danach.

Wie wichtig ist Ihnen Harmonie?

Ich würde Harmonie nie gegen mehr Erfolg eintauschen wollen.

Könnte das der Grund sein, warum den HSV-Handballern der ganz große Wurf bisher nicht gelungen ist?

Er herrscht in der Tat eine fantastische Kameradschaft in der Mannschaft. Das mag manchmal hinderlich sein, wenn jemand den entscheidenden Wurf nehmen muss, aber plötzlich an seine Verantwortung für die gesamte Gruppe denkt. Das ist im Handball tödlich. Uns fehlt vielleicht jemand, der in solchen Momenten einfach den Ball aufs Tor knallt, wie es Kyung-Shin Yoon konnte. Aber auch er hat bei uns Zeit gebraucht, um in diese Rolle zu finden.

Wie sehr schmerzt Sie der Abgang von Krzysztof Lijewski, der spätestens 2011 zum Ligakonkurrenten Rhein-Neckar Löwen wechselt?

Dass er geht, ist ein großer Verlust. Wir hatten keine Chance ihn zu halten. Mit dem Angebot der Rhein-Neckar-Löwen (400 000 Euro Jahresgehalt netto, die Red. ) konnten und wollten wir nicht mithalten. Ich habe Verständnis für ihn. Er ist Profi und kann nur zehn Jahre lang gutes Geld verdienen. Vielleicht wird er irgendwann merken, was er mit seinem Wechsel aufgegeben hat.

Die Handball-Bundesliga droht sich zu einem Dreikampf zwischen Kiel, den Rhein-Neckar-Löwen und dem HSV zu entwickeln. Ist das in Ihrem Sinne?

Überhaupt nicht. Das ist schädlich für die Liga und für uns. Wie sollen wir jedes Mal die O2 World füllen, wenn nur drei, vier Spiele in der Saison Spannung versprechen? Wir brauchen viele starke Vereine. Dazu benötigen wir jedoch eine weit bessere zentrale Vermarktung der Liga. Was die Handball-Bundesliga, die HBL, derzeit für die Marke Handball einnimmt, sind Peanuts. Der Sockelbetrag, den jeder Klub erhält, muss nachhaltig erhöht werden. Dass von den Vereinen in Eigenregie erwirtschaftete Geld reicht mittelfristig nicht, um die steigenden Spielergehälter zu bezahlen. Verlieren wir aber unsere besten Spieler, können wir unserem Publikum nicht mehr den Sport bieten, für den es in die Hallen kommt. Wenn wir da nicht gegensteuern, droht der Handball hierzulande seine Bedeutung zu verlieren.

Was ist zu tun?

Wir haben zu wenige Ressourcen, um eigene Projekte zu entwickeln. Und, wichtiger noch: Wir generieren zu wenig Geld aus unseren TV-Verträgen. Ob es dem Handball guttut, dass zum Teil gleich vier Bundesligaspiele in der Woche live übertragen werden, bezweifle ich. Wir sollten das Angebot verknappen. Dann kämen wir endlich zu einem verlässlichen Spielplan, bei dem jeder Zuschauer weiß, an dem Tag um die Uhrzeit wird Handball gespielt. Ich verstehe auch nicht, warum ARD und ZDF derartige Berührungsängste zur Handball-Bundesliga pflegen. Die Einschaltquoten bei der Nationalmannschaft müssten den Sendern Mut machen.

Mit größeren Geldsummen können Sie auch von ARD und ZDF nicht rechnen. Die brauchen ihre Mittel für teure Fußball-Rechte.

Das ist das größte Problem. In Deutschland dreht sich im Sport alles um Fußball. Eine derartige Ungleichgewichtung gibt es in keinem anderen Land. Dabei gibt es nichts Spannenderes als ein Handballspiel. Obwohl ich am Sonnabend auf diese Spannung sehr gut verzichten könnte.