Der weltbeste Rechtsaußen Hans Lindberg wirft die meisten Tore im Land. Aber der Däne fragt sich, warum es nicht noch mehr sind.

Hamburg. Für das Wochenende hat Jeanette Mackenhauer ein paar Freunde aus Dänemark eingeladen. Sie hofft auf gutes Wetter, denn der Tennisplatz ist reserviert. Ihr Freund Hans Lindberg wird nicht mitspielen können. Er versucht mit dem HSV Hamburg am Sonntagabend beim spanischen Titelverteidiger BM Ciudad Real den Einzug in die Champions-League-Endrunde perfekt zu machen, und wenn es sich Mackenhauer recht überlegt, ist sie gar nicht so traurig darum: "Mit Hans Sport zu machen nervt. Er kann alles so gut."

Sie kann also in etwa nachfühlen, wie es derzeit ziemlich vielen Profis in der Handball-Bundesliga geht. 213 Tore, davon 111 Siebenmeter, hat Lindberg in 28 Spielen erzielt, fast jeder vierte HSV-Treffer kommt von ihm. Wenn nichts Unvorhersehbares mehr passiert, dann sortiert sich sein Name am Saisonende in die illustre Reihe der Torschützenkönige der Liga ein. Am vergangenen Sonntag waren es vor allem seine sieben Tore, die dem HSV ein ansehnliches Polster (26:22) für das Viertelfinalrückspiel verschafft haben. Er traf aus den unmöglichsten Winkeln, mal per Heber, mal per Dreher, mal per Leger, mal aus dem Rückraum.

Er will lieber deutscher Meister als Torschützenkönig werden

Nicht wenige glauben, dass es auf der Welt derzeit keinen besseren Rechtsaußen gibt. Hans Lindberg, 28, verdreht den Kopf ein wenig und lächelt geschmeichelt, als er auf all das angesprochen wird. Und dann sagt er genau die Sätze, die man von einem Handball-Gentleman erwartet. Dass er lieber deutscher Meister werden und die Champions League gewinnen will, als Torschützenkönig zu werden. Und dass es auf der Welt noch so viele sehr gute Spieler gibt, sein HSV-Kollege Stefan Schröder zum Beispiel. Und dass er sicher noch besser spielen könne.

Überhaupt sei das vielleicht sein Problem: sich nach einem Spiel, in dem er zwölf Tore gemacht habe, zu fragen, warum es nicht 13 waren. "Jeanette meint immer, ich soll positiver denken", sagt Lindberg und erntet ein zustimmendes Nicken seiner Freundin, "aber ich kann einfach nicht zufrieden sein." Und dann stellt er sich doch wieder selbstbewusst an die Siebenmeterlinie und zaubert den Ball mit links ins Tor, egal wie viele er vorher verworfen hat.

Meist reagiert er dabei auf das, was der Torhüter macht: "Man kennt sie ja mit der Zeit alle." Wobei er nur die Tricks anwende, die er zu hundert Prozent beherrsche. Einiges traue er sich nur im Training. Handballerisch ist er genau genommen ja noch ein junger Spieler. Lindberg war 14, als ihn ein Schulkamerad mit in seinen Verein nahm. Einen Monat später absolvierte er seinen ersten Lehrgang für Talente aus der Region, "ich kannte die Regeln kaum".

Zur gleichen Zeit wurde er aus dem Kader der Fußballauswahl sortiert. Statt von einer Karriere als Fußballprofi begann er von einer als Handballer in Spanien oder Deutschland zu träumen. Er spielte für die Jugendnationalmannschaft, bis ihm auffiel, dass er gar kein Däne war - er hatte seit Geburt die Staatsbürgerschaft Islands, der Heimat seiner Eltern. Inzwischen ist er Europameister (2008) und einer der populärsten Sportler Dänemarks. In den Zeitungen, erzählt Lindberg, würde jetzt mehr über ihn geschrieben als über den Flensburger Lars Christiansen, der ein nationales Denkmal ist. Lindberg hat eine Agentur beauftragt, ihn in seiner Heimat noch bekannter zu machen, um Werbeverträge abschließen zu können, wobei seine Freundin nicht sicher ist, ob das nötig ist: "Facebook ist voll von schwärmenden Mädchen." Jeanette Mackenhauer verdreht dabei die Augen.

Nachbar Pascal Hens hilft in allen Lebenslagen

Champions-League-Sieg oder Meisterschaft würden Lindbergs Beliebtheit weiter steigern wie seinen Marktwert und das Interesse anderer Klubs. Und es würde endgültig die Frage beantworten, die er sich in seiner Anfangszeit beim HSV vor drei Jahren oft gestellt habe, wenn er abends in seiner Wohnung saß, weit weg von Freunden und Familie: "Was mache ich hier?" Sein Mitspieler Pascal Hens und dessen Frau Angela hätten ihnen damals sehr geholfen. Seit 16 Monaten sind sie in Norderstedt Nachbarn. Lindberg hatte 2007 nicht geahnt, dass er so lange auf den ersten bedeutenden Vereinstitel würde warten müssen. Aber nun, nach dem Pokalsieg am 11. April, glaubt er an den ganz großen Erfolg. "Jeder von uns weiß jetzt: Wir können das. Und wir haben auf jeder Position zwei Topspieler." Er würde deshalb gern über sein Vertragsende 2011 hinaus in Hamburg bleiben.

Der zweite HSV-Rechtsaußen ist Stefan Schröder. Er ist von seinem Handbruch genesen, wartet aber seit zwei Spielen auf seine Einwechslung. Es kann manchmal ziemlich nerven, mit Hans Lindberg Sport zu treiben.