Nach der Niederlage gegen Serbien kehrt der Optimismus zurück. Lahm: “Habe keinen Spieler getroffen, der niedergeschlagen war.“

Pretoria. Nach der 0:1 (0:1)-Pleite gegen Serbien war Frustbewältigung angesagt, doch nur einen Tag danach geht der Blick wieder nach vorne. Den nächsten Gegner, Ghana, schon vor Augen, das Achtelfinale weiter fest im Blick und das Horrorszenario aus den Köpfen verdrängt. Am Morgen danach war die Angst vor dem ersten Vorrundenaus einer deutschen Fußball-Nationalmannschaft bei einer WM-Endrunde im Teamquartier Velmore Grande schon wieder der Zuversicht und großem Selbstvertrauen in die eigene Stärke gewichen.

"Ich bin mit einem guten Gefühl aufgewacht, weil wir trotz aller Enttäuschung aus diesem Spiel auch Selbstvertrauen gewonnen haben. Natürlich sind wir jetzt mehr unter Druck, aber wir werden die nächste Runde erreichen", sagte ein kämpferischer Joachim Löw, der das Spiel zwischen Ghana und Australien in Rustenburg live verfolgte und dort eine Punkteteilung (1:1) erlebte.

Dies bedeutet, dass das DFB-Team am Mittwoch gegen die Afrikaner gewinnen muss, um sicher ins Achtelfinale einzuziehen. "Das wird eine schwere Hürde", sagte Nationalmannschaftsmanager Oliver Bierhoff nach dem Spiel der deutschen Gegner: "Aber wir haben heute auch gesehen, dass sie verwundbar sind. Wir müssen aber auf unsere Stärken schauen."

Der Bundestrainer, der während der Partie im Nelson-Mandela-Bay-Stadion wild gestikulierend an der Seitenlinie getobt und beim Abpfiff wutschnaubend eine Wasserflasche auf den Boden geknallt hatte, zeigte sich entspannt und analysierte ganz cool den herben Rückschlag nach dem erfolgreichen Auftakt gegen Australien (4:0). Der unnötige Platzverweis für Miroslav Klose (37.) und der verschossene Elfmeter von Lukas Podolski (60.) hatten Löw offenbar keine schlaflose Nacht beschert.

Gemeinsam mit seinem Kapitän Philipp Lahm beruhigte der Coach nach dem schwarzen Freitag die schwarz-rot-goldene Nation, von der mehr als ein Viertel (22 Millionen Zuschauer/Marktanteil 84,8 Prozent) zur Mittagszeit vor dem Fernseher mitgelitten hatte. "Ich habe am Morgen keinen Spieler getroffen, der niedergeschlagen war, habe bei keinem Resignation verspürt. Die Mannschaft ist von der Psyche her nicht labil, sie ist zu einer Trotzreaktion fähig", betonte Löw. Lahm stellte trotzig fest: "Es braucht keinem angst und bange sein. Wir haben gegen Serbien auch mit zehn Mann das Spiel dominiert. Deshalb bin ich hundertprozentig sicher, dass wir das Achtelfinale erreichen."

Löw und Lahm wollten die Situation vor dem Gruppenfinale am Mittwoch in Johannesburg gegen Ghana (20.30 Uhr/im Liveticker auf abendblatt.de) nicht mit der vor zwei Jahren vergleichen, als die DFB-Auswahl bei der EURO nach dem 1:2 gegen Kroatien zum Vorrundenabschluss gegen Österreich ebenfalls vor dem Aus stand. Gegen den Mit-Gastgeber hatte Löw damals seine Abwehr umgekrempelt und dank eines fulminanten Freistoßtores von Michael Ballack 1:0 gewonnen - am Ende stand die Finalteilnahme gegen Spanien (0:1).

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"2008 hatten wir gegen Kroatien keine Chance. Gegen Serbien waren wie 75 Minuten die bessere Mannschaft. Zudem sind viele neue Spieler dabei", erläuterte Löw den Unterschied. Und Lahm, der damals in der Viererkette von recht nach links wechseln musste, meinte gerade auch mit Blick auf den gegen Serbien völlig überforderten Holger Badstuber: "Es gibt keinen Grund, etwas zu ändern. Denn wir haben eine ordentliches Spiel gemacht, das wir mit elf gegen elf mit Sicherheit gewonnen hätten."

Dies hatte der spanische Schiedsrichter Alberto Undiano aber mit der frühen Gelb-Roten Karte gegen Klose verhindert, was Bastian Schweinsteiger auf die Palme brachte. "Er versucht klar, den Ball zu spielen. Wenn man nach zwei Fouls gleich zwei Gelbe Karten gibt, fehlt mir jegliches Verständnis", sagte der Vize-Kapitän. "Das war in der Häufigkeit der Karten zu viel", monierte auch der Bundestrainer, der trotz der bisherigen Verwarnungen gegen Sami Khedira, Mesut Özil, Cacau, Lahm und Schweinsteiger aber niemanden auffordern wird, sich angesichts einer drohenden Sperre gegen Ghana in den Zweikämpfen zurückzuhalten: "Das wäre fatal."

Fatal wäre auch ein Ausscheiden für den deutschen Fußball, der mit ziemlicher Sicherheit den Rücktritt von Löw zur Folge hätte. Diesen "worst case" wollen Trainer und Spieler mit aller Macht verhindern. "Wir haben jetzt ein richtiges Endspiel, nun müssen wir Teamgeist zeigen", forderte Podolski, der den ersten WM-Elfmeter für Deutschland in der regulären Spielzeit seit 1974 (Uli Hoeneß gegen Polen) verschossen hatte. "Der Druck im nächsten Spiel ist enorm. Aber wenn wir nicht gewinnen, haben wir das Achtelfinale auch nicht verdient", betonte Thomas Müller.

DFB-Präsident Theo Zwanziger setzt auf die Moral der Mannschaft und hatte bereits in der Kabine die Devise ausgegeben: "Ihr könnt jetzt fünf Minuten traurig sein, dann geht es weiter. Dann geht das Turnier erst los." Auch Deutschlands Fußball-Kaiser Franz Beckenbauer ist nach wie vor optimistisch. "Ich bin sicher, wir kommen weiter. Wir haben es gegen Ghana selbst in der Hand. Und unter Druck sind wir immer noch am stärksten", schrieb er in seiner "Bild"-Kolumne.

Der gesperrte Klose wird dieses Spiel auf der Tribüne verfolgen. "Wir haben noch drei Tage Zeit, uns über Personalien Gedanken zu machen", erklärte Löw, dass er sich hinsichtlich der Startaufstellung für Mittwoch noch nicht im Klaren ist. Die besten Karten auf die Alleinunterhalterstelle im Sturm hat aber zweifelsohne der Stuttgarter Cacau.