Erst der Jubel, jetzt die tiefe Enttäuschung: Das 0:1 gegen Serbien trifft die deutschen Fans hart. Deutschland droht nun das Vorrunden-Aus.

Hamburg. Die Vorfreude war groß, die Enttäuschung ist jetzt umso größer: die WM-Euphorie in Deutschland ist durch die 0:1-Niederlage der deutschen Nationalmannschaft in Port Elizabeth gegen Serben am Freitag jäh gestoppt worden. Fahnenschwenkend und feierbereit versammelten sich nach ersten Schätzungen etwa zwölf Millionen Fans quer durch die Republik zum Public Viewing und zogen eher kleinlaut nach den 90 Spielminuten im fernen Südafrika wieder von dannen. Das deutsche Sommermärchen hatte Pause, Spontane Autokorsos fielen aus, der Verkehr floss normal. Miroslav Klose, Lukas Podolski und vor allem den spanischen Schiedsrichter Alberto Undiano Mallenco hatten die Fans rasch als Sündenböcke ausgemacht.

Das Spiel der Rückschläge für die Nationalelf begann mit einer Gelb-Roten Karte für Miroslav Klose nach 37 Minuten. Es war die erste folgenschwere Entscheidung des Schiedsrichters, der durch seine kleinliche Art viele deutsche Fans gegen sich aufbrachte und mit gelben Karten nicht geizte. Nur eine Minute nach dem sechsten WM-Platzverweis für einen deutschen Spieler nutzte in Milan Jovanovic (38.) der beste Serbe die Verwirrung zum Siegtor.

Besonders schlimm litt die Nation dann, als Lukas Podolski um exakt 14.47 Uhr in der 60. Minute mit seinem Handelfmeter am serbischen Torhüter Vladimir Stojkovic scheiterte. Zum ersten Mal vergab der Kölner im Nationaltrikot einen Strafstoß.

Auf dem Heiligengeistfeld kamen die ersten Unmutsäußerungen auf. Für einige der 30.000 Fans auf dem Hamburger Fan-Fest war Linksverteidiger Holger Badstuber vom deutschen Rekordmeister Bayern München der Schuldige am Gegentor und so wurde lautstark die Einwechslung der beiden HSV-Nationalspieler Marcell Jansen und Dennis Aogo gefordert. „Da muss Löw doch 'was machen“, echauffierte sich ein frustierter Hanseat lautstark.

Bilder der Hamburger Fans im Regen

„In der Kabine sind Wut und Enttäuschung, weil wir dieses Spiel nicht verlieren dürfen. Mir fehlen fast die Worte für das, was heute passiert ist“, ärgerte sich Bastian Schweinsteiger, der 90 Minuten lang unermüdlich gerackert hatte. Um sich für das WM-Achtelfinale zu qualifizieren, muss Löws Elf am Mittwoch in Johannesburg unbedingt ihr letztes Spiel der Gruppe D gegen Ghana gewinnen. „Es ist wichtig, die Mannschaft jetzt aufzurichten“, bekannte der Bundestrainer. „Wir müssen jetzt Teamgeist zeigen. Wir haben ein richtiges Endspiel“, betonte Podolski.

Bundestrainer Joachim Löw war ebenso enttäuscht und sagte: „Beim heutigen Spiel ist viel gegen uns gelaufen. Die Gelb-Rote Karte, unmittelbar danach das 0:1.“ Er müsste mit ansehen, wie seine Mannschaft im zweiten Durchgang viel nach Vorne machen In der zweite Halbzeit haben wir viele vergebene Chancen gehabt und einen Elfmeter verschossen, natürlich war das nicht einfach wegzustecken. Wir sind nicht so ins Spiel gekommen wie gegen Australien. In der zweiten Halbzeit haben wir uns enorm aufgebäumt und sehr gute Moral bewiesen. Jetzt sind wir mehr unter Druck, das ist klar. Aber wir werden die nächste Runde erreichen.“

Das Spiel zum Nachlesen im Liveticker

Deutschland muss nun das letzte Gruppenspiel gegen Ghana gewinnen. Wenn die Partie zwischen Ghana und Australien einen glücklichen Ausgang nimmt, könnte auch ein Unentschieden reichen, dieser Zitterpartie will sich der DFB-Tross aber nicht aussetzen. Joachim Löw hat zudem die Entscheidung verteidigt, dass Lukas Podolski die Ausführung des immens wichtigen Elfmeters übernommen hat. „Er hatte vorher jeden Elfmeter in der Nationalmannschaft verwandelt. Er ist normalerweise ein sehr sicherer Schütze“, sagte Löw. Weder platziert, noch hart schoss Podolski und scheiterte an Vladimir Stojkovic. „Normalerweise schießt er scharf flach oder hart und hoch - der war aber diesmal nicht gut geschossen“, sagte Löw.

Wer die Elfmeter schieße, erklärte der Bundestrainer, werde situativ festgelegt: „Eine klare Hierarchie haben wir da nicht.“ Zuletzt hatte Bastian Schweinsteiger beim 3:1 im WM-Test gegen Bosnien-Herzegowina zweimal sicher verwandelt.

Nach dem Spiel haben Bundesliga-Referee Knut Kircher und Ex-Nationaltorhüter Oliver Kahn die Leistung des spanischen Alberto Undiano harsch kritisiert. "Für mich war er ein Kartenspieler ohne Persönlichkeit. Er machte einen hilflosen Eindruck", sagte der Unparteiische aus Rottenburg den Stuttgarter Nachrichten. Undiano hatte insgesamt acht Gelbe Karten gezeigt. "Wer nach 30 Minuten schon sechs Gelbe Karten gezeigt hat, der hat nicht kapiert, dass eine Verwarnung auch Wirkung zeigen muss. Natürlich gab es das eine oder andere taktische Foul, aber die Zahl der Gelben Karten steht in keinem Verhältnis zur Härte der Partie", sagte Kircher.

Der Spanier habe laut Kircher "null Körpersprache" in Richtung der Spieler gezeigt: "Es gab keine Gesten, Blicke, Ermahnungen, letzte Ermahnungen." Zudem sei die Gelb-Rote-Karte für Klose völlig unverhältnismäßig gewesen. "Die erste Gelbe Karte muss ein Schiedsrichter, der als Persönlichkeit auftritt, nicht geben - da hätte eine scharfe Ermahnung gereicht", sagte Kircher: "Und die zweite Gelbe Karte war keine. Das ist ein stinknormales Beinstellen im Mittelfeld gewesen. Der Schiedsrichter hat vergessen, dass es ein WM-Spiel war, kein Freundschaftsspiel."

Auch Kahn hatte kein Verständnis für die Leistung des spanischen WM-Schiedsrichters. "Man muss sich vor Augen halten, dass Fußball ein Kampfspiel ist. Das ist mir zuviel vonseiten der Schiedsrichter. Das hatte teilweise nichts mit Fußball zu tun", sagte der ZDF-Experte.