Tiefe Enttäuschung in Deutschland nach der 0:1-Niederlage gegen Serbien. Miroslav Klose sieht Gelb-Rot und die Mannschaft muss fast eine Stunde in Unterzahl spielen. Jetzt ist ein Sieg gegen Ghana Pflicht.

Port Elizabeth. Den Zauber verloren, das Spiel verloren, Miroslav Klose verloren: Die deutsche Nationalmannschaft muss bei der Fußball-WM in Südafrika um den Einzug ins Achtelfinale zittern. Nach einer Gelb-Roten Karte für Klose (37.) unterlag die Auswahl des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) in ihrem zweiten Gruppenspiel Serbien 0:1 (0:1) - zu allem Überfluss verschoss Lukas Podolski in Unterzahl noch einen Handelfmeter (60.). Deutschland steht nun vor einem Vorrunden-»Endspiel» gegen Ghana am Mittwoch in Johannesburg. Die Black Stars spielen zunächst noch am Samstag gegen Australien.

In Hamburg fieberten knapp 60.000 Anhänger auf dem Heiligengeistfeld mit. Bei wechselhaftem Wetter erlebten die Fans einen wahren WM-Krimi. „Wir sind total zufrieden, nur nicht mit dem Ergebnis“, sagte Veranstalter-Sprecherin Daniela Scherbring. Hatte es kurz vor dem Anpfiff in Südafrika in Hamburg noch geregnet, kam während des Spiels sogar die Sonne hervor. Auch viele Arbeitnehmer hatten es sich nicht nehmen lassen, das Spiel trotz der frühen Anstoßzeit zu schauen. So zogen ganze Abteilungen der Beiersdorf AG gemeinsam zum Fanfest, bei Hansenet und Otto waren Public Viewings organisiert. Otto-Sprecher Thomas Voigt sagte: „Wir haben die Erfahrung gemacht, dass man Fußballgucken nicht verbieten kann.“

Milan Jovanovic erzielte eine Minute nach dem Platzverweis für Klose den Siegtreffer (38.) für die Serben, die nun wie Ghana und Deutschland drei Punkte auf dem Konto haben. Erleichtert wurde das Gegentor durch die mangelhafte Abstimmung in der deutschen Mannschaft, die aber nicht nur in der Defensive Defizite aufwies.

Erst in Unterzahl wurde die DFB-Auswahl immerhin offensiv kurzzeitig besser: Sami Khedira traf mit einem 12-Meter-Schuss die Querlatte (45.+1). Podolski aber vergab schließlich die Chance auf den Ausgleich.

Vor dem zweiten Vorrundenspiel hatte sich Bundestrainer Joachim Löw noch in ein paar Andeutungen ergangen, doch dann liefen im Nelson-Mandela-Bay-Stadion zunächst jene Spieler auf, die bereits beim überzeugenden Auftritt gegen Australien (4:0) in der Anfangsformation gestanden hatten. Löw vertraute also erneut auf Klose sowie die «Grünschnäbel» Thomas Müller und Holger Badstuber. Darüber hinaus hatte Bastian Schweinsteiger seine Erkältung, die ihn unter der Woche zur einer Trainingspause gezwungen hatte, noch rechtzeitig auskuriert.

Von Beginn an zeichnete sich ab, dass die Serben ein härterer Brocken sein würden als Australien. Löw hatte seine Mannschaft im Vorfeld auch eindringlich vor den Serben gewarnt, nachdem diese ihren WM-Auftakt gegen Ghana (0:1) verpatzt hatten. Serbien sei ein «angeschlagener Boxer», hatte der Bundestrainer betont und daher einen «Kampf auf Biegen und Brechen» prophezeiht. In der Tat waren Branislav Ivanovic und Aleksandar Kolarov für üble Fouls von hinten bereits frühzeitig mit Gelben Karten belastet.

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Auch Klose und Khedira wurden allerdings früh verwarnt - beide für taktische Fouls. Ein Indiz dafür, dass die Deutschen mit ihrem Gegner einige Probleme hatten. Für Klose rächte sich dies in der 37. Minute, als er Dejan Stankovic von der Seite erwischte und vom autoritären, allerdings konsequenten Schiedsrichter Alberto Undiano (Spanien) sofort mit Gelb-Rot vom Platz geschickt wurde. Kurz zuvor hatte auch Philipp Lahm schon die Gelbe Karte gesehen - für ein Foul am serbischen Flügelflitzer Milos Krasic.

Besagter Krasic war der große Störfaktor in der deutschen Hintermannschaft, Linksverteidiger Badstuber hatte zunächst seine liebe Müh' und Not mit dem Profi von ZSKA Moskau. In der 38. Minute hatte der Aufsteiger vom FC Bayern München dann sogar entscheidend das Nachsehen: Krasic tanzte Badstuber aus, flankte in die Mitte auf den 202 Zentimeter langen Nikola Zigic, der erstaunlicherweise vom 32 Zentimeter kleineren Lahm bewacht wurde, Zigic köpfte zur Mitte, der ungedeckte Jovanovic staubte zur Führung ab.

Beiden Mannschaften, vor allem aber der DFB-Auswahl fehlte in der ersten Halbzeit der Esprit. Das Spiel plätscherte vor sich hin, vom hochgelobten deutschen Spielwitz gegen Australien war gegen die dicht gestaffelten Serben nichts zu sehen. Der Spielaufbau war eher behäbig, Kombinationen blieben im Ansatz stecken, Flanken flogen ins Nirgendwo. Die beste Gelegenheit entsprang bezeichnenderweise einer verunglückten Kopfballabwehr von Nemanja Vidic, Podolski aber zielte bei seinem Volleyschuss knapp neben das Tor (7.)

Nach der Pause zogen sich die Serben früh weit zurück, überließen den Deutschen das Mittelfeld und konzentrierten sich auf Konter. Bundestrainer Löw peitschte seine Mannschaft nach vorne. Nur mit der Chancenverwertung haperte es. Schweinsteiger war nach einem klugen Pass von Lahm zu langsam gegen Vidic (54.), viel zu zaghaft bei einer Schusschance aus 16 Metern (55.), Podolski verzog freistehend (57.), schoss ans Außennetz (59.) und scheiterte dann kläglich beim Elfmeter, den Vidic mit einem recht kuriosen Handspiel verschuldet hatte: Der Kölner, wie Klose einer der Torschützen gegen Australien, schoss den Ball so schwach, dass Vladimir Stojakovic mühelos abwehren konnte.

Der Elan der deutschen Mannschaft ließ aber nach einer Stunde nach, nun waren wieder die Serben am Drücker und hatten noch mehrere Großchancen. Deutschland dagegen brachte offensiv so gut wie nichts mehr zustande. „Wenn man die ganzen Gelben Karten hier sieht, dann ist es ein Witz. Wenn es in jedem Spiel eine Rote Karte gibt, wie es hier der Fall ist, dann kann etwas nicht stimmen. Das ist nicht gut für den Fußball. In der Kabine herrscht Wut und Enttäuschung, weil wir das Spiel einfach nicht verlieren dürfen. Mir fehlen fast die Worte für das, was heute passiert ist," sagte ein enttäuschter Bastian Schweinsteiger.

Die Statistik

Deutschland: 11 Neuer/Schalke 04 (24 Jahre/7 Länderspiele) - 16 Lahm/Bayern München (26/67), 17 Mertesacker/Werder Bremen (25/64), 3 Friedrich/Hertha BSC Berlin (31/74), 14 Badstuber/Bayern München (21/4) ab 77. Gomez (Bayern München)- 7 Schweinsteiger/Bayern München (25/76), 6 Khedira/VfB Stuttgart (23/7) - 13 Müller/Bayern München (20/4) ab 70. Marin (Werder Bremen), 8 Özil/Werder Bremen (21/12) ab 70. Cacau (VfB Stuttgart), 10 Podolski/1. FC Köln (25/75) - 11 Klose/Bayern München (32/98). - Trainer: Löw

Serbien : 1 Stojkovic/Wigan Athletic (26/35) - 6 Ivanovic/FC Chelsea (26/33), 20 Subotic/Borussia Dortmund (21/15), 5 Vidic/Manchester United (28/47), 3 Kolarov/Lazio Rom (24/15) - 22 Kuzmanovic/VfB Stuttgart (22/29) ab 75. Petrovic (Partizan Belgrad), 10 Stankovic/Inter Mailand (31/90) - 17 Krasic/ZSKA Moskau (25/33), 14 Jovanovic/Standard Lüttich (29/28) ab 79. Lazovic (Zenit St. Petersburg) - 18 Ninkovic/Dynamo Kiew (25/10) ab 70. Kacar (Hertha BSC), 15 Zigic/FC Valencia (29/47). - Trainer: Antic

Schiedsrichter : Alberto Undiano (Spanien)

Tore : 0:1 Jovanovic (38.)

Zuschauer in Port Elizabeth : 42.000

Gelb-Rote-Karte : Klose (37.)

Rote Karten : keine

Gelb-Rote Karte : Klose wegen wiederholten Foulspiels (37.)

Gelbe Karten : Khedira, Lahm, Schweinsteiger - Ivanovic, Kolarov, Subotic, Vidic

Bes. Vorkommnis: Stojkovic hält Handelfmeter von Podolski (60.)

Schüsse: 15:10

Ballbesitz : 51%:49%

Fouls : 19:10

Ecken : 7:1