Marko Marin ist ein wichtiger Joker von Bundestrainer Joachim Löw. Im Abendblatt-Interview kritisiert er die Qualität der WM-Spiele

Erasmia/Port Elizabeth. Sie sind die spezielle Eingreiftruppe innerhalb der Nationalmannschaft: Joker. Selten hatte ein Bundestrainer gerade in der Offensive so viel Auswahl, auf das Spielgeschehen zu reagieren. Marko Marin, der im einstigen Jugoslawien geboren wurde, spricht über dieses Reservistendasein und die Partie gegen seine ehemaligen Landsleute.

Abendblatt:

Herr Marin, auf dem Rasen lassen Sie Ihre Gegenspieler regelmäßig wie Stangen stehen. Sind Sie eigentlich auch ein guter Slalomfahrer?

Marko Marin:

Ski bin ich noch nie gefahren, aber stimmt, vielleicht sollte ich das mal ausprobieren.

Spielen Sie besonders gerne gegen große Spieler?

Ja schon, man hat gewisse Vorteile, weil die nicht so beweglich und wendig sind. Aber die Unterschiede sind nicht wirklich extrem. Und bei größeren Spielern ist der Radius ja auch weiter, um sie zu umspielen (lacht) .

Im Vergleich zu dem gleich großen, muskulösen Piotr Trochowski wirken Sie mit Ihren 60 Kilo bei 1,69 Metern fast zierlich. Ist das Ihr Idealgewicht für Ihre Tempodribblings?

So viel draufzupacken wie er wäre nicht mein Ding. Troche ist ja ein richtiges Paket! Aber selbstverständlich arbeite ich wie alle anderen Spieler mit den Fitnesstrainern an der weiteren Entwicklung des Körpers, zum Beispiel an der Stabilität.

Sie haben im Vorfeld der WM betont, nicht der neue David Odonkor sein zu wollen. Freunden Sie sich jetzt notgedrungen mit der Jokerrolle an?

Unser erstes Spiel lief richtig gut, weshalb der Trainer keinen großen Grund hat, etwas zu ändern. Dass ich gegen Australien zu meinem ersten WM-Spiel gekommen bin, macht mich froh und stolz. Mein Ziel sind weitere Einsätze, ob als Joker oder von Anfang an.

Überwiegen bei einem Joker-Einsatz eher die Vor- oder die Nachteile?

Als Einwechselspieler kommst du vielleicht in einer Phase rein, in der es im Team gerade nicht so gut läuft. Dann stehst du schon unter einem gewissen Druck, der Mannschaft sofort helfen zu müssen. Man muss es schaffen, sich mental darauf einzustellen, dass einem nur wenig Zeit bleibt, sich zu zeigen.

Beobachtet man während des Spiels den möglichen Gegenspieler und versucht, dessen Schwächen zu entdecken?

In der Spielvorbereitung werden wir mit Videoanalysen von den einzelnen Spielern ja top eingestellt. Wenn man dann auf der Bank sitzt oder sich an der Seitenlinie auf den Einsatz vorbereitet, schaut man aber schon genau hin, wie sich die Gegenspieler verhalten.

Von einem Joker wird sofort Vollgas erwartet. Kommt es vor, dass Sie bereits nach fünf Minuten außer Atem sind?

Es passiert schon mal, dass man sich nach dem ersten Sprint müde fühlt und denkt: Was ist denn hier los? Aber das ist nur ein Gefühl, das nach dem zweiten Sprint direkt wieder vergessen ist.

Sie sind im ehemaligen Jugoslawien geboren. Was zeichnet die Serben aus?

Dass sie spielerisch stark sind, ist bekannt. Aber Serbien hat sich in letzter Zeit defensiv enorm gesteigert, denken Sie nur an Spieler wie Nemanja Vidic, den Dortmunder Neven Subotic oder Branislav Ivanovic. Auch wenn sie schlecht ins Turnier gestartet sind, sollte man sie auf keinen Fall unterschätzen. Ich erwarte ein hartes Spiel. Sie werden kämpfen und alles geben - und wir gewinnen am Ende trotzdem.

Konnten Sie denn das erste Spiel Serbiens am Sonntagnachmittag gegen Ghana vor Ihrer Partie gegen Australien am Abend noch verfolgen?

Ja, sogar komplett. Das mit den zwei sehr offensiv ausgerichteten Außen und den beiden Stürmern durchaus offensiv angelegte Spiel litt daran, dass sie es viel zu oft mit hohen Bällen versucht haben. Das war kein richtiger Fußball gegen Ghana, und deshalb hat es auch nicht funktioniert.

Ist es für Sie noch ein besonderes Spiel?

Aber ja! Noch immer leben viele Familienmitglieder und Freunde auf dem Balkan. Einige drücken mir die Daumen, andere den Serben.

Wie verfolgten und beurteilen Sie die ersten Gruppenspiele bei dieser WM?

Es ist schon komisch. Wenn man sich an die früheren WM-Turniere erinnert, war wesentlich mehr Spektakel dabei. So richtig schöne Spiele gab es kaum. Uns war manchmal richtiggehend langweilig, und wir hatten gar keine Lust mehr, uns die zweite Halbzeit anzuschauen. Traurig. Eine WM sollte immer ein Highlight sein. Brasilien hat gegen Nordkorea mit sechs Defensiven gespielt. Unglaublich!