Ganz Deutschland freut sich auf den nächsten Auftritt von Löws Spaß-Kickern. Der Bundestrainer legt den Schalter um und warnt.

Erasmia. Das WM-Fieber steigt weiter, selbst Deutschlands Fußball-Prominenz ist inzwischen angesteckt – Joachim Löw und sein Personal aber haben den Schalter wieder auf harte Arbeit umgelegt. „Es wird ein gefährliches Spiel, ein enges Ding“, warnte der Münchner Thomas Müller vor der nächsten WM-Aufgabe der Nationalmannschaft am Freitag gegen unbequeme und robuste Serben, die nach einem 0:1 gegen Ghana mit dem Rücken zur Wand stehen. „Wenn wir 0:2 verlieren, werden wir wieder zerfleischt“, verdeutlichte der 20-jährige Müller, wie dicht Euphorie und Enttäuschung weiter zusammenliegen.

Bei nur noch wenigen Grad über Null bat der Bundestrainer sein Team um den neuen Liebling aller Deutschland-Fans, Mesut Özil, erstmals nach dem furiosen 4:0-Sieg gegen Australien wieder auf den Trainingsplatz. Allerdings fehlte Bastian Schweinsteiger im Stadion von Atteridgeville. Der Münchner hat sich einen Infekt der oberen Atemwege zugezogen. „Es ist nichts Schlimmes“, versicherte Teamarzt Tim Meyer, der von einer „Vorsichtsmaßnahme“ sprach.

„Für uns heißt es, konzentriert zu bleiben und weiterzuarbeiten“, sagte Löw. Die Entschlossenheit dokumentierten Trainer und Spieler, indem sie dem südafrikanischen Winter beim Training in kurzen Hosen trotzten. Löw hatte auch gegen Australien „Dinge gesehen, die wir verbessern können“. Der DFB-Chefcoach plant weiter detailbesessen. Das Training für Mittwoch legte er extra auf die Anstoß-Zeit des Serbien-Spiels um 13.30 Uhr. „Das ist für uns kein Problem“, sagte Lukas Podolski.

Für den ehemaligen DFB-Teamchef Rudi Völler, der am Dienstag mit Uwe Seeler und Gerd Müller das DFB-Quartier in Erasmia besuchte, hat sich die erfrischend aufspielende deutsche „Jugend-Auswahl“ schon jetzt für ganz Großes empfohlen. „Wir müssen bei dieser WM niemanden fürchten“, bemerkte Völler, der trotzdem keine Gefahr des Abhebens sieht. „Die Spieler gehen vernünftig mit der Situation um. Jetzt wird es ein bisschen schwieriger. Aber mit der richtigen Einstellung wird auch dieses Spiel gewonnen und man steht schon im Achtelfinale“, sagte Völler den zweiten WM-Sieg der schwarz-rot-goldenen Hoffnungsträger voraus.

„Jogi kann sich nicht zurücklehnen, aber entspannt auf die nächsten Spiele schauen“, betonte „Rudi Nazionale“ zur Situation für den Bundestrainer in Südafrika und sprach sich zugleich vehement für eine Fortsetzung der Ära Löw über die WM hinaus aus. „Es wäre doch schade, wenn jetzt andere die Früchte ernten“, erklärte Völler mit Hinweis auf die tolle Arbeit seines Nachfolgers gerade bei der Integration der vielen Talente von Özil bis Toni Kroos. „Es gibt sehr große Möglichkeiten für die deutsche Nationalmannschaft.“ DFB-Coach Horst Hrubesch, der die U-21-Elf 2009 zum EM-Titel geführt hatte, stellte Özil in der „FAZ“ sogar auf eine Stufe mit Argentiniens Weltstar Lionel Messi: „Unser Miessi ist Özil. Der ist auch ein Jahrhundertt-Talent.“

Erst einmal aber müssen sich Löw und seine jungen Wilden mit den aktuellen Aufgaben beschäftigen. „Jetzt kommen Mannschaften, die stärker sind, auch individuell besser besetzt. Deshalb ist es wichtig, die Dinge richtig einzuordnen“, sagte der Bundestrainer, der mit seinem Chefscout Urs Siegenthaler Serbien bis ins letzte Detail analysiert hat. „Wir werden nicht jedes Spiel 4:0 gewinnen“, übermittelte Deutschlands neuer Müller an die Fans zuhause.

„Die Euphorie ist größer als 2006“, bemerkte der wiedererstarkte Podolski nach den vielen Rückmeldungen aus der Heimat. Sein Kollege Müller aber verdeutlichte die Lage. „Wir haben mit dem 4:0 gegen Australien noch nichts erreicht. Wir sind noch nicht Weltmeister, wird sind noch nicht qualifiziert und nicht die Übermannschaft.“

Doch die neue WM-Lust will sich niemand nehmen lassen. „Verstecken müssen wir uns nicht. Wir sind alle vom Fußball-Virus infiziert“, berichtete Müller, den am Dienstag sein berühmter Vorgänger Gerd Müller besonders lobte. „Er ist mein Stürmer Nummer 1. Er kann links wie rechts schießen, mit dem Kopf spielen und haut auch aus 20 Metern drauf“, schwärmte der „Bomber der Nation“ über den jungen Müller.

Kapitän Philipp Lahm sieht den ersten spektakulären Auftritt weniger als Zeichen für die Konkurrenz, sondern vielmehr als Bestätigung für den eigenen Umbruch. „In erster Linie spielen wir für uns. Wir müssen uns wieder vorbereiten und im nächsten Spiel wieder so mutig nach vorne spielen. Konzentriert, defensiv organisiert - dann haben wir auch gegen Serbien sehr gute Chancen, den nächsten Dreier einzufahren“, betonte der Münchner vor der Partie im Stadion Nelson Mandela Bay von Port Elizabeth.

Hrubesch: „Özil ist unser Jahrhundert-Talent"

Unterdessen traut HSV-Legende Horst Hrubesch dem jungen deutschen Team den WM-Titel zu, Mesut Özil stellt der U 19-Junioren-Nationaltrainer sogar auf eine Stufe mit den ganz Großen der Fußball-Branche. „Wir loben Wayne Rooney in den Himmel, den Ronaldo oder den Messi. Aber den Messi haben wir selber. Unser Messi ist Özil. Der ist auch ein Jahrhundert-Talent“, adelte er den Bremer in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (Mittwoch). In Deutschland neige man dazu, die jungen Profis nicht richtig wertzuschätzen und stattdessen von ausländischen Spielern zu schwärmen. „Die Spieler haben eine Riesenqualität. Sie haben die richtige Einstellung. Das sind Winner- Typen“, so Hrubesch.

Vor einem Jahr hatte der 59-Jährige die U 21-Nationalmannschaft zum Europameistertitel geführt. Vor dem Turnier sei er immer von Journalisten gefragt worden: „Was machen Sie gegen die Wunderstürmer aus Spanien, gegen die Wunderspieler aus England. Da habe ich gesagt: Ich weiß nicht, wer da spielt. Aber was machen die denn gegen meine Wunderkinder?“

Aus diesem Team sind sechs Spieler mit nach Südafrika gereist. In Özil, Manuel Neuer, Marko Marin und Sami Khedira standen gleich vier von ihnen beim WM-Auftakt gegen Australien (4:0) auf dem Platz. „Die Jungs haben doch bei der Europameisterschaft mit der U 21 bewiesen, dass sie es können“, sagte Hrubesch. „Der WM-Titel würde mich nicht überraschen.“

Um dieses Ziel zu erreichen, müsse man den „Jungs“ nur Vertrauen geben. „Sie zahlen zurück.“ Jetzt sei es wichtig, dass die Spieler auch bei den kommenden Spielen gegen Serbien und Ghana wieder so positiv auftreten. „Dann haben sie die Erfahrung gemacht, dass sie es auch auf dem Niveau einer WM können“, sagte er. „Ich sehe gar keine Schwierigkeiten. Die Mannschaft muss an sich glauben, sie muss arbeiten und als Gemeinschaft auftreten.“

Dass der erste Sieg gegen den vermeintlich schwächsten Gruppengegner errungen wurde, beunruhigt den früheren Stürmer nicht. „Die Jungs können das Spiel lesen, sie können das Spiel machen, sie können jeden Pass spielen, sie sind zweikampfstark und haben die richtige Mentalität.“