“Setzen Sie sich doch.“ Wie oft ich diesen schon Satz gehört habe - in der Uni, in der Bahn, auf der Arbeit. Sitzen ist ganz offensichtlich “normal“.

Wer bei einer nicht unmittelbar das Laufen erfordernden Tätigkeit auf den Beinen bleibt, wird misstrauisch beäugt. "Wieso steht da jemand freiwillig?" Das Ganze verstärkt noch beim Thema "Laufen": Wieso Gehen, wenn es ein Verkehrsmittel gibt? Wieso auf dem Parkplatz der Fastfoodkette parken, wenn es die Möglichkeit eines Drive-In gibt?

Ähnlich einheitlich und verlässlich wie die geäußerte Irritation ist aber auch das Klagekonzert: Rückenschmerzen, Gelenkprobleme, Kopfschmerzen, Übergewicht. Die Symptome unserer furchtbaren Bewegungslosigkeit sind in aller Munde, doch realisiert auch jemand die Ursächlichkeit? "Modernes Baumklettern". Dies las ich neulich bei im Programm einer mir bis dato unbekannten Art Einrichtung: Einem Fitnesstudio für Kinder. Obwohl mir bis heute verborgen bleibt, wie sich dieses Angebot in den Räumen des Studios konkret gestalten mag, konnte ich ein gewisses Gefühl der Fassungslosigkeit nicht unterdrücken. Otto-Normalmensch wartet auf den Bandscheibenvorfall und wirft sich dann zweimal pro Woche an die Geräte, Kinder bekommen erst motorische Störungen und werden dann in die Kinder-Muckibude geschickt.

Wie wäre es allgemein mit ein wenig mehr Orientierung am ursprünglichen Zweck unseres Körpers? Manchenorts hätte das auch noch ganz andere, praktische Nebenwirkungen: Mit Stehpulten statt Klappsitzen im Hörsaal ließe sich beispielsweise eine Menge Platz sparen - und schnarchende Studenten würden garantiert zur Seltenheit.

Maike Strietholt studiert Angewandte Kulturwissenschaften an der Uni Lüneburg.

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