Jämmerlich hängen die farbenprächtigen Windfahnen des Fromme-Camps im strömenden Regen. Ein Aktivist übt Kritik an Beteiligten.

Lüneburg. Jämmerlich hängen die farbenprächtigen Windfahnen des Fromme-Camps im strömenden Regen. Er prasselt auf das Dach des Pavillons, tropft von den Planen in leere Bierflaschen, triefnasse Plüschtiere kauern zusammengesunken auf einem durchweichten Korbstuhl. Es ist ein trostloser Anblick, und mittendrin steht Jens, in Hemd und Anzughose, unter dem Arm einen zusammengerollten "Spiegel". Der 36-Jährige hat seit der Räumung und dem Abriss des Hauses in der Frommestraße 2 im Zeltlager im Scunthorpe-Park gelebt. Das ist nun endgültig vorbei: Bis Montag, 12 Uhr, "sind alle Gegenstände, die nicht der unmittelbaren meinungsrechtlichen Kundgabe dienen, zu entfernen".

So steht es auf der Allgemeinverfügung, die in zahlreichen Kopien und sorgsam in Klarsichtfolie zum Schutz vor dem allgegenwärtigen Regen verpackt von zwei Mitarbeitern des Ordnungsamtes an jedes einzelne Zelt gehängt wurde. Und noch etwas steht da: "Sofern dieser Aufforderung nicht nachgekommen wird, wird die Hansestadt Lüneburg die Gegenstände auf Kosten der Veranlasser beseitigen."

Jens ist dennoch erleichtert. Nach dem Auftreten der Ordnungsamts-Mitarbeiter am Freitagmorgen - "ich kann verstehen, dass die sauer waren, so wie es hier aussieht" - hatte er eigentlich nicht mit einem Entgegenkommen gerechnet. Schließlich waren die Fromme-Aktivisten angehalten gewesen, das Lager bis Donnerstag, 16 Uhr, zu räumen. Und das ist definitiv nicht passiert, im Gegenteil. "Hier fehlt irgendwie das produktive Nach-Vorne-Organisieren", gibt er zu, "wir schaffen es ja noch nicht einmal, das Zeug von gestern wegzuräumen."

Und das ist es, was ihn so ärgert. "Seit über einem Monat rede ich hier auf die Leute ein, dass wir gesellschaftsfähig auftreten müssen, wenn wir hier bleiben wollen", klagt er. "Es geht nicht, dass hier Müll rumliegt und nachts um eins noch getrommelt wird." Doch mit solchen Ansagen habe er sich nicht gerade beliebt gemacht. "Fromme-Hitler" hätten ihn einige der Lagerleute genannt, er habe sogar von einer scherzhaft geplanten Sitzblockade vor seinem Zelt gehört, damit er weggehe. "Ich habe nach und nach angefangen, mich unabhängig vom Rest der Nicht-Gemeinschaft zu organisieren", sagt der Aktivist traurig.

Denn er habe es nun mal gerne schön, sagt er und bietet einen Kaffee in seiner "Teestube", einem der Zelte, an. Gemütlich ist es hier: Koch- und Büroecke, Wohnzimmer mit diversen Sofas und Sesseln, Bildern, Pflanzen, Kuriositäten und Kunst, Büchern und Spielen. Anders als in den anderen Zelten ist es auch recht ordentlich - und Jens hat es gern, wenn man die Schuhe auszieht, "wegen des Teppichs".

Kaum etwas von all den Dingen habe ihm vor zwei Monaten gehört, erzählt der 36-Jährige, der gelegentlich in Lüneburger Waldkindergärten aushilft und Bekannten während ihres Urlaubs die Häuser sittet. Und genau das sei auch der Grund, warum er noch hier ist: "Wir bekommen so viel Unterstützung, so viele Leute finden es toll, was wir machen." Das Fromme-Camp sei ein "Platz der Freigebigkeit", der angenehm dem "allgegenwärtigen Geiz-ist-geil-Denken" entgegenstehe. Dieser Geiz-Gedanke sei sein Lieblingsfeindbild, sagt er und fragt: "Wer war denn ein Fan von Dagobert?! Donald war doch der Held! Aber genau dahin entwickeln wir uns: in eine Gesellschaft von Dagoberts."

Wohin er nun soll, weiß Jens noch nicht. "Wir haben gestern versucht, bei der Stadt im Bereich Kultur und Soziales einen Ansprechpartner zu bekommen, um uns nach einem legalen Ausweichplatz zu erkundigen." Am Montag könne man ihnen jemanden nennen, der für sie zuständig sei, sei die Antwort gewesen. Zu spät für die Aktivisten.

Vielleicht, überlegt Jens weiter, könnte man mit Immobilienmakler Sallier ja über einen Zwischennutzungsvertrag für das Brachgelände Frommestraße 2 verhandeln: "Da soll die nächsten zwei Jahre nichts passieren, und ich habe den Eindruck, Herr Sallier ist ganz charmant."

Jetzt wird erst einmal abgebaut. Jens fängt schon an. Der Rest der Truppe hat sich in eine der leer stehenden Garagen verkrümelt. Er schüttelt den Kopf: "Das hier ist zu Ende und wird sich bei dem Engagement-Level auch nicht woanders aufbauen lassen."