Junge Leute planen Kulturzentrum. Kundgebung mit rund 100 Teilnehmern an der Frommestraße. Eigentümer setzt weiter auf Abriss

Lüneburg. Die Besetzer des seit drei Jahren leer stehenden Hauses an der Frommestraße 2 haben am Sonnabend bei einer Kundgebung im Scunthorpe-Park friedlichen Widerstand gegen eine mögliche Räumung angekündigt. Sie hissten eine Flagge mit dem Zeichen für die europäische Hausbesetzer-Szene auf dem Dach und informierten die rund 100 Zuhörer über ihre Pläne, das Haus in ein Kulturzentrum verwandeln zu wollen. Vertreter der Bürgerinitiative forderten zudem die Veröffentlichung von weiter gehenden Informationen.

Der Eigentümer der Zeile Bastionstraße 3 bis Frommestraße 4, Jürgen Sallier, hatte gegenüber der Rundschau Ende vergangene Woche nochmals sein Vorhaben bekräftigt, das Haus in Kürze abreißen zu wollen. Sich dagegen zu wehren, kündigten die jungen Leute an, die sich am Sonnabend nun auch öffentlich als "Besetzer" des Hauses bezeichneten. "Wir haben das Symbol für Hausbesetzungen gehisst", sagte Jim (25) der Rundschau. Es zeigt einen Pfeil in Form des Buchstabens N in einem Kreis. "Wir haben das Haus ausgeräumt, demnächst folgen bauliche Maßnahmen. Wir wollen das Dach neu decken, die Fassade streichen und dämmen." Geplant ist laut Jim ein "Kulturzentrum mit einem öffentlichen Wohnzimmer mit Leihbücherei, Musikproberaum und Atelier". Angeboten werden sollen Kurse und Workshops zu Kunst und Musik, die Außenfläche auf dem Grundstück soll zum Gemüsegarten werden.

"Wir hoffen, dass wir mit Herrn Sallier eine Einigung treffen können, um für einige Jahre einen schönen Stadtteiltreff bieten zu können." Bislang, gibt Jim zu, habe der Eigentümer sich ablehnend zu den entsprechenden Pläne geäußert.

Rund 30 Menschen sind nach Angaben des Besetzers täglich am Haus, am Wochenende steigt die Zahl auf 40 bis 50. "Wir leben nach den Regeln für besetzte Häuser, kochen zum Beispiel gemeinsam", sagte der 25-Jährige. "Wir bieten auch eine Volksküche, kurz Vokü, an: Jeden Tag gibt es Frühstück und Mittag gegen eine Spende."

Die Besetzung des Hauses erreicht damit eine neue Qualität. Für den Fall einer Räumung kündigte Jim für die Besetzer "friedlichen Widerstand" an. Das tat auch Malte, nach eigenen Angaben einige hundert Meter weiter wohnhaft. Er sagte ins Mikrofon: "Wir werden im Haus Nummer 2 bleiben und uns notfalls von der Polizei räumen lassen." Die Frommestraße sei "offen und tolerant, einer der letzten alternativen Orte in der Stadt". Einen Abriss will auch der Student verhindern: "Wir sehen durch das Abtragen des Hauses Nummer 2 die Nummer 4 gefährdet."

Um die Bewohner des Hauses Frommestraße 4 macht sich auch Holger Petersen von der Bürgerinitiative Fromme-/ Bastionstraße Gedanken. Der Mieter sagte der Rundschau: "Unsere größte Sorge ist, dass ein intransparentes Gutachten sagt, das Haus sei nicht mehr standsicher - und dass dann Kündigungen folgen."

Er befürchtet, der Eigentümer wolle das Gebäude kernsanieren und anschließend teurer als bisher vermieten. "Wir fordern die Veröffentlichung sämtlicher Gutachten, Mess- und Senkungsdaten, eine nachvollziehbare Beweissicherung und eine Verkehrsberuhigung." Er will wissen: "Aufgrund welcher aktuellen Befunde muss Nummer 4 saniert werden?" Erst im Oktober 2010 sei das Gebäude als standsicher erklärt worden. "Hilfe, wir werden vertrieben - Geld vor Menschenwürde?" haben Bewohner des Hauses denn auch auf ein Bettlaken geschrieben, das sie als Transparent nutzen.

Georg Gunkel-Schwaderer von dem Kinder- und Jugendverband "Die Falken", der sein Büro Am Springintgut hat, unterstützte am Sonnabend öffentlich die Hausbesetzer in Namen des Bezirksverbands der Falken Hannover und forderte die kommunalen Organisationen aller Parteien auf, den "Erhalt der Freiräume in der Frommestraße zu unterstützen".

Auch Björn Adam, Vorsitzender des Stadtjugendrings, meldete sich anlässlich der Kundgebung als Unterstützer der Protestler zu Wort. Der Protest sei "Jugendbeteiligung pur", ist eine Pressemitteilung des Stadtjugendrings übertitelt. Adam schreibt darin: "Hier findet kein Protest zur Verhinderung von irgendetwas statt, hier findet der lebhafte Protest für den Erhalt von Stadtteil- und Jugendkultur statt." Sein Stellvertreter Georg Gunkel-Schwaderer ergänzt darin: "Dass dies stellenweise an den so fest gefügt scheinenden Regularien dieser Gesellschaft rüttelt, darf dabei nicht verwundern und schon gar nicht stören. Hätte es diese Proteste seit 2008 nicht gegeben, würde vermutlich an jener Stelle nun ein Pracht-Glasbau im Baugrund versinken, und niemand wäre bereit, die Verantwortung dafür zu tragen." In der Frommestraße werde Partizipation und Verantwortung für das Gemeinwesen praktisch gelebt, "ganz ohne Auftrag und Mandat", heißt es in dem Schriftstück.

Stille Solidarität mit ihren Nachbarn erklärten am Sonnabend offensichtlich auch Mieter aus der Hindenburgstraße: An der Rückseite eines Hauses hing ein riesiges Transparent mit einem einfachen Wort darauf: "Fromme-Freunde".