Isabella Vértes-Schütter (40), Intendantin des Ernst-Deutsch-Theaters, beschreibt ihre Gedanken zur Weihnachtsbotschaft des Propheten Jesaja: “Ein Kind wird euch geboren - der Friedensfürst.“

Das Bibelwort vom Friedensfürsten habe ich mit der Musik von Händel kennen gelernt. Im St.-Michaelis-Chor, in dem ich zehn Jahre unter Günter Jena mitgesungen habe, haben wir viele große Oratorien aufgeführt, auch den "Messias". Der Text "Denn es ist uns ein Kind geboren" ist von Händel wunderbar vertont. Die Musik reißt einen hoch, man muss eigentlich tanzen. 1999 choreografierte John Neumeier den "Messias" an der Hamburgischen Staatsoper. Und die Bilder, die er gefunden hat, haben mich sehr beeindruckt.

Die Botschaft dieses Bibeltextes habe ich zuerst durch die Freude wahrgenommen, die Händels Musik bei mir auslöste. Über die Bedeutung der Worte dachte ich erst viel später nach. "Denn es ist uns ein Kind geboren" heißt: Gott wird Kind. Tatsächlich erzählen davon ja viele Religionen. Gott offenbart seine schöpferische Kraft im scheinbar Schwächsten, Gefährdetsten und Ausgeliefertsten. Im Christentum hat die Geburt des göttlichen Kindes und damit verbunden die Verheißung vom Frieden, der auf die Finsternis folgt, für mein Empfinden etwas unglaublich Revolutionäres.

Es bedeutet: Für jeden Einzelnen von uns ist Frieden möglich. Der Weg dorthin ist allerdings weit, und er geht von der Finsternis zum Licht. Im Text ist von einem bedrückenden Joch die Rede, von Krieg und Bedrohung. Aber den Menschen zum Heil wird "ein Kind geboren". Wir nehmen in unserer Gesellschaft viel Zerstörerisches wahr; ich glaube, das hat sehr viel damit zu tun, dass wir uns diesem Kind nicht zuwenden.

Das Bild vom göttlichen Kind ist ein archetypisches Bild. Es geht um das Kind in der Seele jedes Einzelnen von uns. Wenn wir uns der Schwäche und Hilflosigkeit zuwenden, anstatt vermeintliche Stärke zu behaupten, erwächst daraus eine wirkliche Kraft. Jeder kennt wohl aus Krisenzeiten die Erfahrung, dass man sich mit den Schatten in der eigenen Seele auseinander setzen muss, um wieder Freude und Leichtigkeit empfinden zu können. Der Weg von der Finsternis zum Licht ist der Kern der Weihnachtsbotschaft.

Allerdings habe ich nicht das Gefühl, dass es das ist, was die meisten von uns zu Weihnachten feiern: die Chance zum Frieden in uns und der Welt. Unsere Ausdrucksformen zum Fest sind besinnlich, manchmal sogar bedrückend, nur selten euphorisch. Aber wenn ich über den Text nachdenke, geht es mir so wie bei der Musik von Händel: Ich möchte zu Weihnachten am liebsten tanzen.

Auf jeden Fall wünsche ich mir für uns alle eine Möglichkeit, die Freude, die gemeint ist, zu empfinden. Dazu gibt es in den nächsten Wochen in Hamburg viele Gelegenheiten.