Pastorin Uta Biehl antwortet auf Leserbriefe.

Am liebsten möchte ich wegfliegen . Immer zur Weihnachtszeit der gleiche Stress. Letztes Jahr waren meine Kinder am Heiligen Abend bei meinem Ex-Mann, d.h. sie feiern in diesem Jahr bei uns. Dafür kommen die Kinder aus der ersten Ehe meines Mannes am 1. Weihnachtstag zu uns. Dann möchten drei Großelternpaare, dass wir sie über die Festtage besuchen. Ich kann doch nicht in 3 Tagen 5 mal Weihnachten feiern! Sybille V.

Liebe Frau V.,

was halten Sie von einer Aktion "Befreit Weihnachten"? In Ihrer Familiensituation verschärft sich ein Konflikt, den viele erleben. Wir fühlen uns überfordert - von den Ansprüchen und Wünschen der anderen, aber auch von unseren eigenen. Aus dem Fest wird oft eine riesengroße Anstrengung. Und danach entlässt uns Weihnachten mit dem Gefühl des "Zuviel": zu viel an Erwartungen, zu viel an Enttäuschungen, zu viel Belanglosigkeit . . . und zu viel Essen.

Vielleicht können Sie Ihre Aufmerksamkeit vom "Zuviel" einmal dem "Zuwenig" zuwenden. Was kommt z.B. für Sie zu kurz an Weihnachten? Was vermissen Sie? Was bräuchten Sie? Familiäre Regelungen lassen sich verändern. Vielleicht nicht ohne Verletzungen, und das ist traurig und tut weh. Aber auch im nächsten Jahr wird es Weihnachten geben. Es muss ja nicht alles in einem Jahr verwirklicht werden.

Ob Sie wegfahren oder zu Hause bleiben: Sie sollten sich ein wenig entlasten, befreien und damit auch Weihnachten befreien. Es geht doch darum, den Kopf frei zu haben, Augen und Sinne zu öffnen für das Licht, das unsere Dunkelheit erhellt, für Gott, der Mensch wird.

Seit mehr als 20 Jahren arbeite ich nun schon in diesem Betrieb. Mit dem Chef war es immer ein gutes Einvernehmen. Aber seine neue Lebensgefährtin, die seit kurzem mitarbeitet, macht mir das Leben zur Hölle. Sie spinnt Intrigen gegen mich und schiebt mir Fehler unter, die andere gemacht haben. Mein Chef und meine Kolleginnen halten zu ihr. Ich bin nervlich total am Ende. Erika A.

Liebe Frau A.,

Ihr Brief erinnert mich an eine Geschichte, in der Lügen mit einem Sack Federn verglichen werden. Die Federn werden ausgeschüttet und sollen dann wieder eingesammelt werden - ein Ding der Unmöglichkeit. Der Schaden bleibt.

Ich kann mir gut vorstellen, wie viel Kraft und Anstrengung es Sie immer wieder gekostet haben mag, die Dinge richtig zu stellen. Und wie verzweifelt Sie sind, dass Ihnen das nicht gelingen will. Ihr Kampf "allein gegen alle" scheint aussichtslos. Das Wichtigste ist, dass Sie selbst für sich Stabilität und etwas Abstand gewinnen, um die Situation zu bedenken.

Sie sollten sich an eine Mobbing-Beratungsstelle wenden, die auf solche Konflikte spezialisiert ist, um Unterstützung zu bekommen. Darüber hinaus können Sie mit Hilfe Ihres Hausarztes eine Kur für psychosomatische Beschwerden beantragen. Das könnte Ihnen helfen, Körper und Seele zu stabilisieren.

Sonst habe ich mich immer auf Weihnachten gefreut , besonders auf unser großes Familientreffen mit Essen und Bescherung bei uns. Aber in diesem Jahr ist alles anders. Wir sind selbstständig und haben einen kleinen Servicebetrieb. Zurzeit geht es uns finanziell so schlecht, dass wir eventuell aufgeben müssen. Bisher weiß niemand etwas, und ich möchte eigentlich, dass es so bleibt. Meine Geschwister sind beruflich sehr erfolgreich. Soll ich das Konto noch mehr überziehen? Christa T.

Liebe Frau T.,

es erschüttert das Selbstbewusstsein, wenn wir plötzlich nicht mehr zu den Erfolgreichen, Gutversorgten gehören. Um den Schein zu wahren, wären Sie sogar bereit, sich weiter zu verschulden. So groß ist der Druck! Wir alle haben innere Ideal-Bilder von uns und unserem Leben. Wenn diese Bilder kaputt gehen, stürzt uns das erst einmal in eine tiefe Krise: Was bin ich noch wert? Bin ich nur etwas wert, wenn ich Erfolg habe?

Diese Gefühle haben zurzeit viele Menschen: In diesem Jahr mussten in Hamburg schon knapp 2000 Firmen, Freiberufler und Selbstständige einen Antrag auf Insolvenz, also Zahlungsunfähigkeit, stellen, etliche sogar Mitarbeiter entlassen. Als Christin ist es mir wichtig zu wissen, dass ich mit meinen Gefühlen der Wertlosigkeit bei Gott aufgehoben bin und dass es bei Gott noch andere Werte gibt als Erfolg und Wohlstand.

Muten Sie Ihren Geschwistern die Wahrheit ruhig zu. Am besten jetzt gleich. Wenn Ihr Verhältnis gut ist, werden Sie sicher gemeinsam eine angemessene Lösung finden. Vielleicht kann Ihnen dann ganz anders weihnachtlich zumute werden. Zum Beispiel wenn Sie erleben, dass Sie von Ihrer Familie geliebt und getragen werden, auch wenn kein Gänsebraten auf dem Tisch steht.

Aus Weihnachten wird oft eine riesige Anstrengung. Danach entlässt uns das Fest mit dem Gefühl des "Zuviel".

Es erschüttert unser Selbstbewusstsein, nicht mehr zu den Erfolgreichen, Gutversorgten zu gehören.