Sie empfindet sich nicht als “sehr religiös“, obwohl sie in einem Pfarrhaus aufgewachsen ist. Aber eins liegt Hamburgs Olympiabotschafterin Telse Reimann trotzdem besonders am Herzen: der Respekt gegenüber Mitmenschen.

Für mich ist Respekt eine ganz wesentliche Angelegenheit. Ich finde, es gibt viel zu wenig davon. Zum Beispiel an Schulen. Viele Jugendliche gehen mit Erwachsenen nicht so respektvoll um, wie sie es eigentlich sollten. Das ist erschreckend und geht nicht einfach an mir vorbei. Ich merke es ja selbst: Wenn ich in der Bahn frage: "Darf ich mal vorbei?", bekomme ich oft eine patzige Antwort.

Respektlosigkeit zeigt sich heute in vielen kleinen, beiläufigen Dingen. Und andersherum: Auch Respekt zeigt sich in

Kleinigkeiten. Es gibt Leute, die bewundere ich dafür, wie locker, aufmerksam und höflich sie mit anderen umgehen, ohne jedes aufgesetzte Getue. Die gibt es in jedem Alter. Ich begegne als Olympiabotschafterin auch vielen Prominenten. Manche scheinen sich in ihrer Bekanntheit zu sonnen und sind ziemlich arrogant. Was soll man daran respektieren? Andere sind sehr angenehm und offen, die bringen zum Ausdruck: Ich nehme dich ernst, ich höre dir zu, auch wenn du nicht "bedeutend" oder prominent bist.

Vielleicht fällt mir das auf, weil ich es ganz ähnlich in meiner Familie erlebt habe. Meine Schwester und ich haben unsere Eltern natürlich

respektiert, aber die haben uns das umgekehrt genauso vermittelt. Sie haben es akzeptiert, wenn ich sagte: "Ich sehe das nicht ein, erklär mir das bitte." Aber auch ich musste akzeptieren, wenn sie nicht alles einsahen, was ich wollte. Ich bin im Umfeld der Kirche aufgewachsen, und da wurde uns vermittelt: Nimm jeden so, wie er ist. Versuch nicht, ihn umzudrehen. Das ist manchmal gar nicht so leicht. Vor allen in einer Beziehung nicht. Aber jeder Mensch kann tagtäglich neu anfangen, sich um Respekt gegenüber dem anderen zu bemühen - egal, ob es ein Kind oder ein Erwachsener ist.

Natürlich läuft es nicht überall so wie zu Hause. Ich stoße manchmal auf Leute, die auf ganz subtile Art ihr Ding durchziehen wollen, ohne Rücksicht auf andere. In vielen Betrieben duzen sich alle und dürfen Kritik äußern - nur nicht gegenüber dem Chef. In der Jugendherberge Horner Rennbahn, wo ich jobbe, ist es anders. Unsere Chefin hat ein offenes Ohr für alle.

Die Olympischen Spiele und Respekt passen gut zueinander. Hamburg könnte als Ausrichter viel Respekt ernten, wenn wir die Spiele für Gäste und Sportler schön und freundlich gestalten und alles geben, was wir können. Nicht nur, damit Hamburg dann als "Weltstadt" angesehen wird - viele olympische Städte sind hinterher wieder Provinz geworden. Sondern weil um die HafenCity etwas Neues entsteht, das uns bleibt.