Herbert Grönemeyers Lied “Mensch“ trifft einen Nerv: Es wurde schon zu Fernseh- Berichten über die Flutkatastrophe gespielt, ist ein Hit geworden, und jetzt stehen Verse daraus immer öfter in Todesanzeigen - auch im Abendblatt.

Es berührt das Herz. Es geht unter die Haut. Mit dem Lied "Mensch" hat Herbert Grönemeyer den Nerv getroffen. Nicht nur den seiner Fans, die mochten ihn schon immer und hätten ihm schon lange wieder mal einen Nummer-Eins-Hit gegönnt. Auch Menschen, die sich bisher nicht unbedingt zu ausgewiesenen Grönemeyer-Fans gezählt hätten, fühlen sich angerührt. Für viele drückt der Musiker genau das aus, was sie empfinden, wenn sie einen geliebten Menschen verlieren.

So kommt es, dass der Text jetzt immer häufiger in Todesanzeigen zitiert wird. Nicht die Bibel, nicht Kant oder Goethe - nein, Grönemeyer.

". . . und der Mensch heißt Mensch,

weil er erinnert,

weil er kämpft

und weil er hofft und liebt

weil er mitfühlt und vergibt

und weil er lacht

und weil er lebt

du fehlst"

So heißt es in Herbert Grönemeyers Lied - nachdem binnen fünf Tagen seine Frau und sein Bruder an Krebs verstorben waren. Ein Schicksalsschlag, wie er kaum zu verwinden ist. Das ist jetzt vier Jahre her.

"Nach dem Tod dieser beiden geliebten Menschen hat er genau das ausgedrückt, was wir empfinden", sagt Kirstin Spalt aus Trittau, "nur dass er diese Gefühle als Künstler eben besser in Worte fassen kann als wir."

Sie hat kürzlich ihren 57 Jahre alten Mann ebenfalls durch Krebs verloren. Für die Todesanzeige im Hamburger Abendblatt wählten sie den Textauszug aus "Mensch".

"Eine normale Anzeige wäre für uns zu flach und zu nichtssagend gewesen", sagt die 59-Jährige. Auf der Suche nach einem Text wurden sie bei Goethe und Schiller nicht fündig, ein Bibelzitat war nicht das Richtige. "Dann haben meine Kinder ,Mensch' im Radio gehört. Da wussten wir sofort: Das ist passend für meinen Mann!"

Die Musik von Grönemeyer habe ihnen immer schon gut gefallen, aber sie hätten bisher nie so richtig auf die Texte geachtet.

"Uns fehlt so sehr, dass man reden konnte, dass man sich anlehnen konnte", sagt Kirstin Spalt. "Da ist so viel Schmerz. Man kann es gar nicht fassen. Plötzlich ist er nicht mehr da."

So wie Herbert Grönemeyer vier Jahre gebraucht habe, um dieses Lied zu schreiben, "werden wir auch Jahre brauchen, um den Verlust meines Mannes zu verarbeiten."

Grönemeyer selbst hatte den Verlust im ersten Interview nach dem Tod von Frau und Bruder als Inferno bezeichnet. "Es ist wie nach einer großen Explosion, und man liegt da mit einer Aktentasche und guckt zu, wie alles zerstört ist." Die Wunden seien so tief gewesen, dass er Angst hatte, "ob ich überhaupt noch Musik schreiben kann", sagte der 46-Jährige. Seine Tochter habe gesagt: "Du hörst aber nicht auf zu singen!"

"Der Tod gehört nun mal zum Leben", sagt er jetzt, zum Beginn seiner großen Tournee, "deshalb kann man auch Texte dazu schreiben. Die Katastrophe ist der größte Stopp in meinem Leben gewesen, aber sie ist wie das Traurigsein zum Teil dieses Lebens geworden." Trotzdem: "Das Album war einer der schwersten Berge, die ich je zu erklimmen hatte." In einem anderen Lied singt er:

"Ich trag dich mit mir

Ich trag dich

in meiner Seele,

bis der Vorhang fällt."

Seither sind Grönemeyers Konzerte wie Wallfahrten. Er ist der einzige große deutsche Rocksänger, der das Gebiet Tod und Trauer thematisiert, und seine Fans danken es ihm mit gerührten Ovationen im Licht ihrer Feuerzeuge.