Erziehung: Wie Glauben helfen kann. Abends treffen sich Alltags- und Glaubensrituale. Ökumenische, denn Jörg Pilawa ist katholisch und Irina Opaschowski evangelisch.

Jörg Pilawa und Lebensgefährtin Irina Opaschowski leben mit ihren gemeinsamen Kindern im Alter von fünf und zwei Jahren zusammen. Sie sprachen mit Susanne Raubold und Propst Johann Hinrich Claussen über Rituale und warum christlicher Glaube die Kindererziehung einfacher macht.

DIE KIRCHEN: Was hat sich mit der Geburt Ihrer Kinder im Leben verändert?

JÖRG PILAWA: Die Geburt unserer Tochter hat uns gleich ziemlich gefordert. Sie kam ein paar Wochen zu früh. Man verbindet mit so einer Geburt im wesentlichen Glückserwartungen, und nun waren wir erst einmal getrennt: die Mutter im Krankenhaus, der Säugling am anderen Ende der Stadt auf der Kinderintensivstation und der Vater immer zwischendrin als Milchkurier unterwegs. Alles weit entfernt von der erwarteten Familienidylle. In dieser Zeit haben wir verstanden, daß wir aufeinander angewiesen sind, und wir haben gebetet. Das hat uns Kraft gegeben.

IRINA OPASCHOWSKI: Mit Kindern kommt man immer in die Grenzbereiche, körperlich und seelisch. Es gibt nichts, was so glücklich macht wie das erste "Mama", aber auch die Sorgen werden mit den Kindern größer. Schon nach zwei Nächten am Bett eines fiebernden Zweijährigen ist man ein anderer Mensch.

DIE KIRCHEN: Wie vermitteln Sie den Kindern Ihren Glauben?

I.O.: Das Zauberwort heißt Rituale. Ich bin schon im Alltag ein großer Fan von Regeln. Und beim Zubettgehen, da treffen sich Alltags- und Glaubensrituale. Die Kinder wissen, was kommt: 18 Uhr Abendbrot. Dann geht es hoch in die Kinderzimmer, Zähneputzen, eine gemütlichen Lese- und Kuschelrunde für alle im Bett und zum Abschluß für jeden das Gutenachtgebet.

J.P.: Ich glaube, wir haben es relativ einfach, unsere Kinder gehen ohne große Probleme ins Bett.

I.O.: Ich bin mir sicher, daß die Rituale helfen. Und besonders das Gebet. Der immer gleiche Text gibt den Kindern Sicherheit. Außerdem beziehen wir Aktuelles mit ein und lassen so den Tag noch einmal Revue passieren. Wir sagen uns, was gut oder schlecht war. Dann gibt es immer eine versöhnliche Schlußwendung: Die Kinder wünschen sich noch, wen Gott heute nacht besonders behüten soll. Das ist ungeheuer tröstlich und erleichtert den Kindern den Übergang vom Tag in die Nacht.

DIE KIRCHEN: Haben Sie lange nach dem Gebet gesucht?

J.P.: Nein, das habe ich schon als Kind gebetet, da mußte ich nichts neu erfinden.

DIE KIRCHEN: Woran zeigt sich im Alltag die religiöse Erziehung?

I.O.: Ach, das ist ganz einfach: Kinder brauchen Werte, und die sind im christlichen Glauben formuliert. Er bietet ihnen ein Bezugssystem für ihr Leben: Da ist ein Gott, der auf mich aufpaßt und der von mir erwartet, daß ich nicht lüge, nicht stehle, meine Eltern respektiere und gut zu anderen Menschen bin. Bei uns ersetzten die zehn Gebote die Super-Nanny. Die können Sie fast 1:1 übernehmen. Ich habe ja lange in der Grundschule unterrichtet, und unsere Schüler kamen aus neun Nationen. Da spielt das soziale Miteinander eine große Rolle. Ich habe im Unterricht die klassischen Werte vermittelt, die auch unsere christlichen sind. Das war für die Kinder wichtig, und auch viele Eltern waren sehr dankbar und haben es als Unterstützung empfunden. Mir ist aber klar geworden, daß Ethik religiöse Wurzeln hat. Deshalb bin ich für einen richtigen Religionsunterricht.

J.P.: Diese Erfahrung machen wir auch im Freundeskreis. Viele junge Eltern wollen ihren Kindern Werte vermitteln und orientieren sich dabei unterschwellig genauso am christlichen Glauben wie wir. Sie bekennen sich nur nicht offen dazu.

Ich glaube, das wird sich in Zukunft ändern. Genauso, wie das Bekenntnis zur Institution Familie wieder zunimmt, wächst die Rückbesinnung auf traditionelle Werte und auch auf den Glauben.

DIE KIRCHEN. Wie hat es Sie selbst verändert, Kinder zu haben?

J.P.: Es ist ja ein Glück, daß wir im Christentum einen liebenden Gott haben. Ich konnte diese Liebe nicht greifen. Das kam erst mit dem Erlebnis, die Kinder aufwachsen zu sehen. Und ich habe gelernt, daß es ganz wichtig ist, Zeit für die Kinder zu haben. Wenn ich dieses "Papa, kannst du mir mal eben mit der Barbie helfen . . ." vertröste auf ein Nachher oder Morgen, das verstehen die Kinder nicht. Gott ist jetzt.

DIE KIRCHEN: Sie, Frau Opaschowski, sind evangelisch. Sie, Herr Pilawa, sind katholisch. Sie führen eine ökumenische Beziehung. Führt das zu Schwierigkeiten?

J.P.: Im Gegenteil. Das Thema hat noch nichts an Attraktivität verloren. Wir diskutieren noch.

DIE KIRCHEN: Was zum Beispiel?

J.P.: Na ja, was der eine an seiner eigenen Konfession schwierig findet, das macht für den fremden Blick gerade den Reiz aus.

I.O.: Ich finde zum Beispiel die Atmosphäre in katholischen Kirchen sehr intensiv und besonders faszinierend.

J.P.: Ich dagegen liebe die bescheidenen protestantischen Kirchen.

I.O.: Wahrscheinlich sind deshalb auch unsere Kinder immer noch nicht getauft.

J.P.: Nein, ich denke evangelisch oder katholisch ist in diesem Alter gar nicht so wichtig. Ich suche einfach hier vor Ort eine Gemeinde, in der ein lebendiges Gemeindeleben ist und wo man beruhigt sein kann, daß die religiöse Erziehung auch außerhalb der Familie stattfindet.