Karikaturenstreit: Die Antwort aus St. Georg. Seit langem pflegt die evangelische Gemeinde St. Georg den Dialog mit Muslimen. Wie es funktioniert.

Jetzt berichten die Zeitungen täglich über brennende dänische Flaggen, zerstörte westliche Botschaften und christliche Kirchen, die in Nigeria und Pakistan angezündet wurden. Auslöser war die Veröffentlichung der dänischen Karikaturen des Propheten Mohammed. Wie fremd ist dem Westen der Islam? Können Christen die Verletzung muslimischer Gefühle verstehen?

Schon 1999 war eine Gruppe von überzeugten St. Georgern auf Vertreter der ausländischen Bevölkerung zugegangen. Es trafen sich: Vertreter der Kirchengemeinde des Stadtteils und einige Muslime, Männer und auch Frauen mit bemerkenswert guten Deutschkenntnissen. Mit dabei war ein kleiner, freundlicher Herr mit runder Kopfbedeckung, Herr Fejzulahi, Imam der albanischen Moschee.

Sieben Jahre später ist es für Mitglieder der evangelischen Gemeinde nichts Außergewöhnliches mehr, eine Moschee zu betreten. Es gab Gesprächstreffen, Besichtigungen, feierliche Einladungen zum Fastenbrechen im Ramadan und ein Stadtteilfest mit einem christlich-islamischen Abschlußgottesdienst.

Da merkten wir zum ersten Mal, wie unterschiedlich die Voraussetzungen sein können. Unser Kirchenchor wollte etwas Besonderes bieten und bereitete ein kleine Mozartmesse mit vier Streichinstrumenten vor. Als wir zum letzten Mal mit unseren muslimischen Partnern die Planung durchgingen und erwähnten, der Chor werde auch Instrumente in die Moschee mitbringen, gab es besorgte Gesichter. Das ginge im Gebetsraum nicht: Chor ja, Instrumente nein. Wie hätten wir das ahnen sollen? Etwas anderes ließ sich so schnell nicht mehr einüben! Wir sahen den gemeinsamen Gottesdienst schon ausfallen. Der Imam telefonierte mit islamischen Autoritäten in Istanbul, Ankara und Damaskus, um sich Rat zu holen. Jede Antwort war verschieden! "Wir werden das hier selbst entscheiden müssen, Hamburg ist nicht Ankara", meinte er schließlich. Um der Moscheegemeinde einen Konflikt zu ersparen, einigten wir uns dann darauf, für dieses erste Mal unsere Kirche zu nehmen.

Am Tag nach dem 11. September besuchten die evangelischen Pastoren sofort ihre muslimischen Kollegen. Gut, daß man sich kannte! Gemeinsam wurde zu einem Friedensgottesdienst eingeladen, diesmal in die Moschee. Über 500 Menschen - Muslime, Christen, selbst "Ungläubige" kamen und beteten Seite an Seite für den Frieden. Doch die Kirche wurde nun gerade deshalb angefeindet und verdächtigt, sich "blauäugig" mit den falschen Leuten eingelassen zu haben. Verwechslungen mit einer Moschee am Steindamm, in der auch Terroristen verkehrt hatten, waren an der Tagesordnung.

Dialog kann aber nicht gleich flächendeckend beginnen. Von zehn Moscheen unterschiedlicher Nationalitäten sind wir mit dreien in engerer Verbindung. Andere sind wegen der Sprachbarrieren für uns schwerer erreichbar oder haben andere Prioritäten, indem sie Integration noch anders bewerten.

Die großen Moscheen des Quartiers aber, die albanische, arabische und die große tür-kischstämmige Centrum-Moschee, haben sich mittlerweile fest in das Stadtteilgefüge integriert. In Glaubensfragen nehmen beide Seiten, Christen und Muslime, weiter mit Respekt die Verschiedenheiten wahr.

Doch nun die Karikaturen! Herr Fejzulahi in der albanischen Moschee wirkt sichtlich angespannt. In den letzten Wochen seit Ausbruch des Karikaturenstreits hat er in seinen Freitagspredigten wiederholt zur Gelassenheit gemahnt. "Mohammed ist groß. Seine Lebensleistung kann niemand beschädigen. Daß auf die Bilder nun mit Gewalt reagiert wird, schadet uns allen."

Für die Muslime hier ist es doppelt schlimm. Wie nach dem 11. September fühlen sich viele als potentielle Gewalttäter verunglimpft. Außerdem wurde mit den Karikaturen ein wichtiges Gebot ihres Glaubens verletzt: Wie auch bei uns noch aus dem Alten Testament bekannt, gilt ein strenges Bilderverbot im Islam. Nichts Irdisches soll den Menschen bei seiner Verehrung Gottes ablenken.

Den Imam schmerzt der Ver-dacht, mit der Gewalt zu sympathisieren, besonders. "Das habe ich ja alles erlebt", erzählt er. "Damals in Jugoslawien fing es auch so an. Auf Beleidigung folgte Beleidigung, und am Ende standen Gewalt und Krieg."

Daß die großen Moscheen statt dessen in wichtigen Fragen unsere verläßlichen Partner sind, haben wir besonders diesen Imamen und Gemeindevorständen zu verdanken. Sie sind oft die Vermittler unserer Kultur in mitunter noch sehr konservative Moscheegemeinden hinein. Sie werben für die Ausbildung der Jungen und Mädchen, sie leben die deutsche Sprachkenntnis als Integrationsvoraussetzung vor, und sie helfen in vielen sozialen Nöten. Was sie brauchen, nach innen und nach außen, ist unsere Anerkennung und Unterstützung. Und wir brauchen sie für unsere gemeinsame Stadt Hamburg.

Nach unserer Erfahrung mit sieben Jahren Dialog und Frie-densarbeit kann der Weg nur nach vorne führen. Genauso wie wir einen qualifizierten islamischen Religionsunterricht an öffentlichen Schulen brauchen, sollten wir dazu kommen, auch Moscheen nach und nach als Institutionen unseres Gemeinwesens anzuerkennen, sie wahrnehmen, sie besuchen und sie einbeziehen in das politische Gespräch und demokratische Handeln Hamburgs.