Fast fünfzig Jahre stand er vergessen im Garten einer russischen Bauernfamilie und wurde als Vogeltränke genutzt: der Taufstein der alten Dorfkirche im ostpreußischen Ballethen im Kreis Angerapp.

Die neuen Machthaber hatten 1945 die Kirche dem Erdboden gleichgemacht. Aus den Trümmern nahm sich jeder, was man noch brauchen konnte. Dem schlichten steinernen Becken war seine besondere Bedeutung nicht anzusehen, und vielleicht war sie seinen neuen Besitzern auch egal. Sie malten den hellen Sandstein bunt an und stellten ihn im Garten des Hauses auf, das früher der Hebamme des Ortes gehört hatte und das sie übernommen hatten.

Doch Perestroika und die Wende brachten viele der Deutschen zurück in die alte Heimat - so auch den Dresdner Georg Grohde im Jahr 1996. Die russische Familie, die jetzt im Haus der alten Hebamme wohnte, freute sich über sein Interesse und führte ihn herum. Nur mit Mühe erkannte Grohde den Taufstein seiner alten Kirche wieder.

Die Entdeckung ließ ihm keine Ruhe. Zufällig lernte er während dieser Reise den Fahrer Kurt Wendland aus Harburg kennen, der in Angerapp kein Unbekannter war, er organisierte Hilfstransporte in seine ehemalige Heimat. Ihm erzählte Grohde von seiner Entdeckung - wäre es nicht schön, wenn der Taufstein wieder nach Deutschland käme?

Wendland, ein Mann der Tat, zögerte nicht lange. Er fuhr nach Ballethen, schaute sich den Stein an, und weil er so schwer war, nahm er ihn auf dem Landweg über Litauen mit auf die Fähre nach Rügen und dann nach Harburg.

In der Dreifaltigkeitskirche in Harburg fand der Stein schließlich seinen Platz. Ein Restaurator entfernte die Farbschichten und legte die schönen Ornamente am Rand des Beckens frei. Der Architekt der Kirche entwarf ein fahrbares Stahlgestell, auf dem der Taufstein seit 1997 ruht.