Der Bundestag muss sich mit der Kritik an den Internetsperren befassen. Eine Initiative hat in einer Petition bereits 50 000 Unterschriften gesammelt.

Berlin. Eigentlich ist der Gesetzentwurf zur Sperrung von kinderpornografischen Internetseiten schon auf dem Weg, einige Internetanbieter arbeiten bereits freiwillig an der technischen Umsetzung der Sperrung. Doch nun erhält Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) heftigen Gegenwind aus der Blogger- und Twittergemeinde, die ihre Informationsfreiheit im Netz beschnitten sehen. Nach nur vier Tagen hat eine Online-Petition der 29-jährigen Berlinerin Franziska Heine schon 50 000 Unterstützer gefunden. Das ist die Mindestzahl dafür, dass der Petitionsausschuss des Bundestages sich mit dem Antrag in öffentlicher Sitzung befassen muss. In Windeseile hat sich dieser Widerstand allein im Netz organisiert und wird nun über die Berichterstattung vermutlich auch von außen noch weitere Unterstützer finden.

Von der Leyen ließ dies dennoch unbeeindruckt. „Eine zivilisierte Gesellschaft, einschließlich der Internetgemeinschaft, die Kinderpornografie ernsthaft ächtet, darf auch im Internet nicht tolerieren, dass jeder diese Bilder und Videos vergewaltigter Kinder ungehindert anklicken kann“, teilte das Ministerium mit. „Das Leid der Opfer ist real, nicht virtuell. Jeder Klick und jeder Download verlängert die Schändung der hilflosen Kinder“.

Die Blogger lehnen dennoch die „Änderung des Telemediengesetzes nach dem Gesetzentwurf des Bundeskabinetts vom 22.4.09 ab“. In der Petition heißt es: „Wir halten das geplante Vorgehen, Internetseiten vom BKA indizieren & von den Providern sperren zu lassen, für undurchsichtig & unkontrollierbar, da die ,Sperrlisten’ weder einsehbar sind noch genau festgelegt ist, nach welchen Kriterien Webseiten auf die Liste gesetzt werden. Wir sehen darin eine Gefährdung des Grundrechtes auf Informationsfreiheit.“

Dabei wollen sie das Anliegen der Ministerin gar nicht in Frage stellen. Den Missbrauch von Kindern und die Verbreitung von Kinderpornografie im Netz zu verhindern, sei „in unser aller Interesse“. Allein die dafür geplanten Maßnahmen seien „denkbar ungeeignet“. Doch in der Begründung heißt es: „Eine Sperrung von Internetseiten hat so gut wie keinen nachweisbaren Einfluss auf die körperliche und seelische Unversehrtheit missbrauchter Kinder“.

Über Twitter und Blogs habe sich der Widerstand „epidemieartig“ formiert, sagt die Sprecherin von Eco, dem Verband der deutschen Internetwirtschaft, Maritta Strasser. Sie selbst hat dies als neues Phänomen interessiert beobachtet. Der Verband ist daran nicht beteiligt, obwohl auch Eco dem Vorhaben von Ministerin von der Leyen noch immer skeptisch gegenüber steht. „Wir halten es nicht für effizient“, sagt Strasser. „Aber es ist eine politische Entscheidung und wenn, man sie will, muss es eine Rechtssicherheit für die Internetanbieter geben.“ Die soll mit der Änderung des Telemediengesetzes geschaffen werden.

Strasser ist dennoch froh, dass es nun auch eine gesellschaftliche Debatte dazu gibt. Die entwickelt sich bisher im Internet heftig. Neben den inzwischen mehr als 50 000 Unterzeichnern der Petition gibt es auf der Bundestags-Internetseite dazu auch 1463 Diskussionsbeiträge. Bis zum 16. Juni kann noch unterzeichnet werden. Die Internetnutzer feiern die hohe Beteiligung als großen Erfolg – auch für ihren eigenen Einfluss.

In dem Interview mit dem Blogger Sascha Lobo hat die Initiatorin Franziska Heine die Bedeutung der Petition für die Blogger und Twitter so beschrieben: „Ich denke, sie kann ein wichtiges Werkzeug für uns sein, die etablierten Strukturen zu erreichen und unserer Stimme Gewicht zu geben. Auch darum ist es wichtig, damit durchzukommen. Gerade mit diesem Thema! Weil wir viele sind! Und weil wir immer mehr werden!“