Stoppschilder im Netz, Patientenverfügung, Fehmarnbelt-Querung und vieles mehr: Der Bundesrat macht den Weg frei für neue Gesetze, die fast jeden betreffen.

Berlin. Ein Mammutprogramm liegt hinter dem Bundesrat, der am Freitag vor der Sommerpause noch 62 Gesetze aus dem Bundestag auf dem Tisch hatte. Da es wenige Kontroversen gab, wurde das meiste in der Länderkammer nur durchgewinkt. Auf abendblatt.de finden Sie einen Überblick über die wichtigsten neuen Regelungen.

Internetsperren: Vom 1. August an werden im Internet auf Seiten mit Kinderpornografie rote Stoppschilder erscheinen. Mit dem Warnhinweis soll Benutzern klar gemacht werden, dass ein Umgehen dieser Sperre für sie strafbar ist. Das reine Anklicken der Stopp-Seiten ist strafrechtlich folgenlos. Das Bundeskriminalamt (BKA) will den Internet-Unternehmen ständig aktualisierte Listen einschlägiger Web-Adressen zur Verfügung stellen. Bevor sie auf der Sperrliste auftauchen, soll aber versucht werden, die Porno-Seiten löschen zu lassen. Das Gesetz ist zunächst auf drei Jahre befristet.

Rentengarantie: Die Renten werden auch bei Lohnrückgängen nicht gekürzt. Die rund 20 Millionen Rentner bleiben damit auch in wirtschaftlich schlechten Zeiten von Kürzungen verschont. Sie müssen dies aber bei einer Besserung der Lage später durch Nullrunden oder reduzierte Erhöhungen selbst bezahlen. Die Kritiker bemängeln, mit der Garantie werde der Grundsatz ausgehöhlt, dass die Renten immer den Löhnen folgen. Seit Einführung der dynamischen Rente im Jahr 1957 sind die Löhne noch nie gesunken. Durch die massenhafte Kurzarbeit ist dies in der aktuellen Krise jedoch nicht auszuschließen.

Anti-Terror-Gesetz: Das umstrittene letzte Anti-Terror-Gesetz der Bundesregierung ist mit Hilfe der FDP gerettet worden. Das von den Liberalen mitregierte Baden-Württemberg verhalf im Bundesrat dem Gesetz zur erforderlichen absoluten Mehrheit, obwohl es von der FDP-Bundestagsfraktion abgelehnt worden war. Das von Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) vorgelegte verschärfte Staatsschutzstrafrecht will Terroristen bekämpfen und bereits bei der Vorbereitung auf Straftaten eingreifen. So kann die Ausbildung in einem Terrorcamp in Pakistan oder anderswo mit bis zu zehn Jahren Gefängnis bestraft werden. Voraussetzung für die Strafbarkeit ist der Vorsatz, eine Straftat begehen zu wollen. Nach den neuen Paragrafen steht ferner unter Strafandrohung das Überlassen oder Verwahren von Waffen und gefährlichen Substanzen wie Viren, Giften, radioaktiven Stoffen, Sprengstoffen oder Zündern sowie das Besorgen oder Verwahren von dafür benötigten Grundstoffen. Auch das Verbreiten von Sprengstoffanleitungen und die Aufnahme von Beziehungen zu terroristischen Vereinigungen kann bestraft werden.

Fehmarnbelt-Querung: Einer festen Verbindung über den Fehmarnbelt steht nichts mehr im Weg. Der Bundesrat stimmte einem Gesetz zu, das die Verbindung zwischen Deutschland und Dänemark verankern soll. Die Brücke soll eine kombinierte Schienen- und Straßenverbindung haben. Bevorzugte Lösung ist eine Schrägseilbrücke zwischen Fehmarn und Lolland. Die bauliche Alternative wäre ein Tunnel. Das Projekt soll 2018 fertiggestellt sein. Die Kosten in Höhe von 5,6 Milliarden Euro sollen weitgehend von dänischer Seite übernommen werden. Deutschland trägt rund 840 Millionen Euro für die diesseitigen Straßen- und Schienenhinterlandanbindungen. Befürworter des Projekts verweisen auf eine Stunde weniger Fahrzeit von Hamburg via Fehmarn nach Kopenhagen durch die Brücke. Kritiker halten das Projekt für überdimensioniert und fürchten Umweltschäden.

Kassenbeiträge und Steuern: Die massiven Steuerentlastungen für Bürger und Unternehmen sind beschlossene Sache: Nach dem Bundestag billigte auch der Bundesrat das „Bürgerentlastungsgesetz“. Danach können Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung von 2010 an in größerem Umfang als bisher steuerlich abgesetzt werden. Arbeitnehmer werden damit um rund 9,5 Milliarden Euro pro Jahr entlastet. Teil des Gesetzes sind auch rasche, aber befristete Erleichterungen für Unternehmen von drei Milliarden Euro. Die bessere Absetzbarkeit von Kranken- und Pflegekassenbeiträgen geht auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts zurück.

Krankengeld: Im Krankheitsfall können gesetzlich versicherte Selbstständige künftig wieder nach sieben Wochen das klassische Krankengeld beziehen. Mit der Neuregelung erhalten die Betroffenen eine Alternative zu den oftmals teureren „Wahltarifen“. Seit Einführung des Gesundheitsfonds kamen Selbstständige und Freiberufler nicht mehr automatisch in den Genuss von Krankengeld. Stattdessen gab es bei den Krankenkassen spezielle Zusatzversicherungen, die aber vor allem für ältere Versicherte oft sehr teuer waren.

Patientenverfügung: Ärzte müssen künftig Patientenverfügungen befolgen, auch wenn dies zum Tod der Erkrankten führen kann. Nach jahrelanger Debatte ließ der Bundesrat ein Gesetz passieren, das erstmals für Rechtssicherheit sorgen soll. Die neue Regelung verschafft dem vorab formulierten Willen eines Patienten weitgehende Gültigkeit, wenn er sich nicht mehr selber äußern kann. Voraussetzung ist aber, dass die Erklärung auch die tatsächliche Behandlungssituation erfasst. Dazu muss die Patientenverfügung möglichst konkret gefasst sein. Sind sich der Arzt und der Betreuer oder Bevollmächtigte über den Patientenwillen einig, bedarf es keiner Anrufung des Vormundschaftsgerichts.

Datenschutz: Persönliche Daten wie Adressen können nicht mehr völlig frei gehandelt werden. Das neue Datenschutzgesetz war durch eine Serie von Datenschutzskandalen ausgelöst worden. Doch es lässt viele Ausnahmen zu. Danach dürfen die Werbewirtschaft, Medienunternehmen und Meinungsforscher weiterhin Daten bestimmter Personengruppen ebenso nutzen wie gemeinnützige Organisationen zur Spendenwerbung. Für Markt- und Meinungsforschung verwendete Daten müssen anonymisiert werden. Für schwere Verstöße wird das Bußgeld von 250 000 auf 300 000 Euro erhöht. Bei Datenschutzpannen müssen die Unternehmen die Betroffenen informieren.

Wein: Die deutschen Qualitätsweine sind gerettet – der Tafelwein verschwindet. Der Bundesrat beschloss das Weingesetz, der deutsche Qualitäts- und Herkunftsbezeichnungen trotz der Umsetzung der EU-Weinreform weiter schützt. Das bisherige System von Tafelwein und Qualitätsweinen soll wegfallen. Künftig sollen geschützte Ursprungsbezeichnungen und geografische Angaben für Wein wesentliche Kriterien für die Unterscheidung sein. Die Bezeichnungen Prädikatswein, Qualitätswein und Landwein werden als traditionelle Begriffe aber anerkannt. Das gilt auch für Spätlese und Kabinett. Bis Ende 2011 sollen die Winzer der EU-Kommission bestimmte Anforderungen wie Geschmacksangaben oder Hektarerträge mitteilen, damit die Ursprungsbezeichnungen erhalten bleiben können. Die deutschen Qualitätsweine bestimmter Anbaugebiete erhalten den Status von Weinen mit geschützter Ursprungsbezeichnung. Die Bezeichnungen der Landweingebiete werden als geografische Angaben geschützt.