Spezialisierte Fahnder durchforsten Tag für Tag das Internet nach den abscheulichsten pornografischen Bildern. Wie werden sie fündig, und wie verkraften sie ihre Arbeit?

Es ist still auf dem langen Flur. Und auch aus den vielen Zimmern dringt kein Lärm. Die Ermittler des Bundeskriminalamts (BKA), die dort auf ihre Bildschirme starren, sind hoch konzentriert. Sie brauchen keine Dienstpistole, ihre Waffe sind die Augen. Die Suche nach Kriminalität im Internet ist eine leise, unspektakuläre Arbeit, aber auch eine erfolgreiche: Die Fahnder der speziellen BKA-Zentralstelle für anlassunabhängige Recherchen in Datennetzen (ZaRD), die täglich das Internet nach allem durchsuchen, was dort illegal verabredet und hineingestellt wird, finden immer etwas. Aber es ist auch eine Arbeit, die sie oftmals an die Grenzen ihrer psychischen Belastbarkeit führt. Denn: In 80 Prozent ihrer Fahndungserfolge geht es um Kinderpornografie.

Es gibt nichts, was es nicht gibt, sagen die, die sich das ansehen müssen. Häufig finden sie gar keine Worte, um das zu beschreiben, was Kindern für die Aufnahme von pornografischen Bildern und Filmen angetan wird. "Folter ist das", sagt Vera Falck, Geschäftsführerin des Hamburger Vereins Dunkelziffer, der sich um sexuell missbrauchte Kinder kümmert. Der Verein bietet bundesweit einzigartige Fortbildungen für Polizisten, Staatsanwälte und Richter an, die sich mit Kinderpornografie im Internet beschäftigen. "Wir hatten schon Richterinnen, die weinend den Raum verließen, nachdem sie die Bilder gesehen haben", sagt Vera Falck.

Die unkontrollierbaren Weiten des Internets haben Pädophilen den Zugriff darauf außerordentlich erleichtert. Das zeigen auch die Zahlen. Vor zehn Jahren wurden in einem Verfahren Hunderte bis Tausende kinderpornografische Bild- und Videodateien sichergestellt. Heute sind es mehrere Zehn- bis Hunderttausende. Das BKA registriert von 2006 auf 2007 einen Zuwachs bei Besitz und Beschaffung von Kinderpornografie im Internet um 111 Prozent. Je professioneller die Ermittler von BKA und sechs deutschen Landeskriminalämtern im Netz surfen, desto höher wird auch die Zahl der Beschuldigten in den Verfahren, denen der Besitz dieser Bilder nachgewiesen wird. Allein bei der Operation "Himmel" im Jahr 2007 waren es 12 000.

Ohne Weiteres gelingt es den Fahndern inzwischen aufzuzeigen, dass nur ein einziges Bild auf 30 000 Rechner heruntergeladen wurde. Die Szenen werden dabei immer brutaler, die misshandelten Kinder immer jünger. 2005 gab es allein in Deutschland 138 Verfahren wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern zur Herstellung von Kinderpornografie. Das zeigt: Die Täter sitzen nicht nur im Ausland.

Nach Angaben der britischen Internet Watch Foundation (IWF) waren die Opfer im Jahr 2007 zu 43 Prozent jünger als sechs Jahre und zu zehn Prozent jünger als zwei Jahre. Dabei geht es nicht um die Bilder und Filme, auf denen kleine Mädchen und Jungs posieren müssen, sondern darum, dass ihre Geschlechtsteile gezeigt werden, sie sexuell berührt werden von Männern, Frauen oder auch von anderen Kindern. Es geht um Vergewaltigungen von Säuglingen bis hin zu Bildern, auf denen auch nach Meinung von Gerichtsmedizinern Kinder durch den Missbrauch zu Tode kommen.

Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) war davon derart entsetzt, dass sie in der Regierung das Thema an sich zog und innerhalb weniger Wochen nun ein Gesetz zur Sperrung von Internetseiten präsentiert. Damit wird sicherlich nur eine Säule des menschenverachtenden Geschäfts angegriffen, aber immerhin eine. Von der Leyen will vor allem diejenigen abschrecken, denen es im Internet so leicht gemacht wird, die Bilder anzuklicken.

Was früher vielleicht in der Videothek "unter der Theke" lag oder kompliziert getarnt über Kleinanzeigen angeboten wurde, steht heute irgendwo im Netz. Man muss allerdings doch immer noch wissen, wo. Wer bei Google Worte wie "Kinderpornografie", "Kindersex" oder "Lolita" eingibt, wird vielleicht bei Hilfsorganisationen landen, die auf diesem Feld tätig sind, nicht aber auf einschlägigen Webseiten. Der Weg dorthin führt verschachtelt über legale Seiten irgendwann zu kinderpornografischen Abbildungen. Man muss ihn kennen oder darauf gelockt werden. Nach Aussage von BKA-Präsident Jörg Ziercke sind 80 Prozent der Nutzer Gelegenheitstäter, die nach seiner Meinung durch ein auf ihrem Monitor aufleuchtendes Stoppschild abgeschreckt würden. 1000 Seiten will das BKA deswegen sperren lassen.

Die Fahnder setzen aber auch auf die Internetrecherche im Bereich der Tauschbörsen. Hier wird mit Bildern für Bilder bezahlt. Die Tauschbörsen laufen über Chatrooms, das Usenet oder das Filesharing, der Austausch von Datensätzen geht von Rechner zu Rechner. Wie eine Polizeistreife bewegen sich die Ermittler in diesen Bereichen, sofern sie öffentlich zugänglich sind. Angemeldet unter Tarnnamen suchen sie nach Dateien mit auffälligen Namen.

Ist mittags dort nichts los, dann vielleicht abends oder in der Nacht. Internetfahnder kennen keine regulären Dienstzeiten. Formulierungen wie "Vier Jahre altes Mädchen mit Papa" macht sie auf jeden Fall stutzig. ZaRD-Fahnder dokumentieren alles genau und geben es an ihre Kollegen weiter, die irgendwann vor der Tür des Bildbesitzers stehen werden. Denn über die IP-Adresse ist es mithilfe der Provider möglich herauszufinden, wo der verdächtige Rechner steht.

Der Rest ist mühsame Auswertung. Unendliche Zahlenkolonnen werden entschlüsselt, um dem Nutzer genau nachzuweisen, wie und wo er im Internet unterwegs war, wie lange er was angesehen und ob er es heruntergeladen hat. Ausflüchte sind dann meist zwecklos. Was folgt, sind Anklage und Prozess. "Warum ich mir das antue?", sagt eine Staatsanwältin, die Kinderpornografie bekämpft. "Weil ich sie alle vor Gericht bringe."

Wie vorsichtig die Mitglieder von Tauschgruppen sind, hat Korinna Kuhnen in ihrem Buch "Kinderpornografie im Internet" dokumentiert. Ende 1997 war die britische Polizei einem Kanal namens "Wonderland" auf die Spur gekommen. Dort handelten 150 Mitglieder aus 21 Ländern mit teilweise selbst hergestellter Kinderpornografie. Aus Angst vor eingeschleusten Ermittlern gab es strenge Regeln: Beim Eintreten in den Kanal muss ein Wächterprogramm aktivierte werden, das den Nutzer automatisch identifiziert. Die Existenz des Kanals darf nirgendwo öffentlich beworben werden. Von außen eingeladen werden dürfen Neue nur mit Erlaubnis von zwei Operatoren. Und zum Schluss: "Bitte verwende im Kanaltitel keine Wörter, die auf Kinder hinweisen."

Absolut unerklärlich ist, wie sich überhaupt jemand an diesen Bildern ergötzen kann, kaum vorstellbar ist aber auch, wie die Fahnder es ertragen, sich solche Szenen Tag für Tag anschauen zu müssen. "Das brennt sich in die Netzhaut ein", so beschreibt die Pädagogin Carmen Kerger von Dunkelziffer das, was dabei passiert. Ihr Rat klingt einfacher, als er sich realisieren lässt: Man solle sich beim Betrachten der Bilder geistig "neben sich stellen", um so Distanz zu wahren. Das Vorgehen beschreiben auch Ermittler. Das, was sie sehen, das ist ihr Beruf. Den können sie in der Dienststelle lassen, wenn sie nach Hause gehen. Doch das will erst einmal gelernt sein. "Der Anfang ist schwer", sagt einer. "Aber dann kann man eine professionelle Haltung dazu entwickeln." Einige halten es auf diese Weise viele Jahre vor den unerträglichen Bildern aus, nur wenige gehen schnell wieder. Aber die finden dann auch das Verständnis der anderen.

Die Internetfahnder haben die Möglichkeit, sich Psychologen anzuvertrauen, doch Carmen Kerger hat beobachtet, dass das nicht immer auch in das Selbstverständnis der Ermittler passt. Für sie müsste psychologische Betreuung Standard sein. "Wer mit Opfern von Gewalt zu tun hat, wird selbst Zeuge von Gewalt", sagt sie. Das belastet. Sie erinnert sich an die Fassungslosigkeit von Polizisten, die nach langen Ermittlungen einen Täter, der Kinder auf Filmen im Internet misshandelt hatte, ausfindig gemacht haben. Als sie ihn verhaften wollten, trafen sie spielende Kinder auf der Straße - die, die sie zuvor auf den Bildern als Missbrauchsopfer gesehen hatten.

Für die abgebildeten Kinder bedeutet dies einen nicht endenden Missbrauch. Was einmal im Netz steht, verschwindet nicht mehr. Bei Dunkelziffer melden sich immer mal wieder Erwachsene, die wissen wollen, wie Bilder, die von ihnen als Kinder gemacht wurden, aus dem Netz wieder verschwinden können.

So bleibt es denn auch für alle immer der größte Erfolg, wenn nicht nur ein Besitzer von Kinderpornografie, sondern auch die Täter entdeckt werden. Dafür wird alles, was auf den Fotos und Filmen zu erkennen ist, ausgewertet. In einem Fall war es ein Schulbuch, das auf einem Tisch im Hintergrund des Fotos lag und das es nur in Sachsen-Anhalt gab. Nach langen Überlegungen schickten die Fahnder das Bild des missbrauchten Kindes an alle Grundschulen in dem Bundesland. Sie machten es ausfindig. Und den Täter auch.