Kanzlerin Merkel stützt den angeschlagenen Bundespräsidenten. Staatsanwalt durchsucht Büro von Ex-Sprecher Glaeseker im Präsidialamt.

Berlin/Hannover. Ungeachtet immer neuer Details um die Verstrickung von Christian Wulff in die Geschäfte seines früheren Sprechers Olaf Glaeseker mit dem Partyveranstalter Manfred Schmidt stützt Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) den Bundespräsidenten weiter. "Unser Bundespräsident wird viele weitere wichtige Akzente für unser Land und unser Zusammenleben setzen", sagte Merkel der "Bild am Sonntag". Widerspruch kommt von Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki, 91. Er hatte am Holocaust-Gedenktag eine Rede im Bundestag gehalten und sagte nun dem "Focus": "Er muss unbedingt zurücktreten. Wulff hat offenbar zu hohe finanzielle Ansprüche, um als Politiker unabhängig zu sein."

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Die SPD wertete die Durchsuchungsaktion im Bundespräsidialamt als beispiellosen Vorgang. "Es ist unglaublich, dass wir inzwischen Durchsuchungsvorgänge im Bundespräsidialamt haben", sagte Parteichef Sigmar Gabriel. Es sei "der Versuch unternommen worden, sich ein Land wie Niedersachsen zur Beute zu machen". Er könne sich nicht vorstellen, dass Wulff in seiner Zeit als Ministerpräsident von den Aktionen Glaesekers nichts mitbekommen habe.

Wulff hatte Glaeseker kurz vor Weihnachten als Sprecher des Bundespräsidenten ohne Angabe von Gründen entlassen. Am 19. Januar durchsuchten Ermittler die Privat- und Geschäftsräume von Glaeseker und Schmidt. Glaeseker soll laut Staatsanwaltschaft zwischen 2007 und 2009 die Finanzierung der von Schmidt ausgerichteten Veranstaltungsreihe "Nord-Süd-Dialog" im Rahmen seiner damaligen Dienstgeschäfte "gefällig gefördert" haben. Als Gegenleistung soll Glaeseker mehrfach kostenlos in Feriendomizilen Schmidts Urlaub gemacht haben. Glaeseker war damals niedersächsischer Regierungssprecher im Rang eines Staatssekretärs.

Aus der FDP kamen Rufe nach einer öffentlichen Erklärung Wulffs zur jüngsten Durchsuchung. "Staatsanwaltschaft und Polizei haben Anlass, Deutschlands Erste Adresse zu durchsuchen, der Hausherr aber bleibt wieder einmal sprachlos", erklärte der FDP-Bundestagsabgeordnete Erwin Lotter. Wulff hätte nach Einschätzung des Verwaltungsrechtlers Hans Herbert von Arnim im Falle eines Rücktritts keinen Anspruch auf Ehrensold - die Bundespräsidentenpension in Höhe von rund 200 000 Euro jährlich. Würde Wulff wegen der Vorwürfe zurücktreten, wäre dies ein Rücktritt aus "persönlichen Gründen", sagte von Arnim dem "Spiegel". Dieser sei in der Regelung nicht vorgesehen.

Partymanager Schmidt räumte ein, dass ihm die niedersächsische Staatskanzlei bei der Suche nach Geldgebern für den "Nord-Süd-Dialog" geholfen hatte. Ohne die Kontakte und Empfehlungen des damaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten Wulff und seines Sprechers Glaeseker wäre die Durchführung des Events kaum möglich gewesen. "Es müssen ja mal Kontakte hergestellt werden, wenn so etwas von der Wirtschaft finanziert werden soll", sagte Schmidt dem "Spiegel". Zugleich wies Schmidt den Vorwurf der Staatsanwaltschaft zurück, Glaeseker mit kostenlosen Urlaubsreisen bestochen zu haben. Er sei seit 30 Jahren mit dem Journalisten befreundet. In dieser Zeit habe er Glaeseker zu Urlauben eingeladen, umgekehrt habe aber auch er Glaeseker besucht.

In Niedersachsen machen Grüne und SPD weiter Druck auf den Wulff-Nachfolger David McAllister (CDU). "Wir erwarten, dass der Ministerpräsident die Aufklärung der Affäre zur Chefsache macht", forderte Grünen-Fraktionschef Stefan Wenzel. SPD-Fraktionschef Stefan Schostok kritisierte: "Während die Staatsanwaltschaft seit Wochen um Unterlagen betteln muss, finden brisante Dokumente offenbar auch aus dem Aktenfundus der Staatskanzlei den Weg in die Medien. Ministerpräsident McAllister muss diesen zögerlichen und hinhaltenden Umgang mit den Strafverfolgungsbehörden schleunigst beenden."