Grüne wollen Verstoß gegen das Ministergesetz prüfen. Kanzlerin Merkel spricht Wulff ihr Vertrauen aus. Der Privatkredit wirft weiter Fragen auf.

Berlin/Hannover. Bundespräsident Christian Wulff steht wegen seines Privatkredits weiter unter Druck. Die Grünen im niedersächsischen Landtag wollen prüfen lassen, ob Wulff in seiner Zeit als Ministerpräsident gegen das Ministergesetz verstoßen hat, wie Fraktionschef Stefan Wenzel am Mittwoch erklärte. Ein denkbarer Vorwurf wäre, dass Wulff sich mit der Annahme des zinsgünstigen Kredites aus Unternehmerhand der Vorteilsnahme im Amt schuldig gemacht hat. SPD und Grüne fordern eine Entschuldigung, Kanzlerin Angela Merkel und andere Politiker sprachen Wulff derweil ihr Vertrauen aus.

Zur Überprüfung der Vorwürfe wollen die Grünen den Ältestenrat des niedersächsischen Landtags einschalten. „Die Fragen, ob der heutige Bundespräsident seinerzeit gegen das Ministergesetz verstoßen und bei der Beantwortung von Anfragen das Parlament getäuscht hat, sind nicht beantwortet“, sagte Wenzel. Für die Aufklärung sei der Ältestenrat sehr geeignet, weil darin alle Fraktionen vertreten seien und das Gremium als Landtagsausschuss arbeite. Außerdem könnten Gäste hinzugezogen werden.

Schon 2010 hatte Wulff nach einem kostenlosen Upgrade bei einem Air-Berlin-Flug nach Florida einen Verstoß gegen das Ministergesetz eingeräumt. Einen strafrechtlichen Verstoß sah er damals nicht, da er nicht bewusst und ohne Vorsatz gehandelt habe, erklärte der CDU-Politiker. Die Staatsanwaltschaft leitete kein Verfahren ein.

Der Urlaubsflug brachte die Familie Wulff nach Florida, wo sie kostenlos in einem Haus des Unternehmers Geerkens wohnen konnte. Von Edith Geerkens lieh Wulff sich 500.000 Euro, davon wurde 2008 der Kauf des privaten Einfamilienhauses der Eheleute Christian und Bettina Wulff in Burgwedel zu einem Zinssatz von vier Prozent finanziert.

Kein Zweifel

Merkel habe „volles Vertrauen in die Person und in die Amtsführung von Christian Wulff“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin. „Er ist ein guter Bundespräsident.“ Das sähen auch viele Bundesbürger so, sagte Seibert. Wulff übe sein Amt mit hoher Verantwortung aus, mit einer großen Sensibilität dafür, was die Bundesbürger bewege. „Die Kanzlerin sieht keinerlei Grund, an den Angaben des Bundespräsidenten zu diesem Sachverhalt, der da in Rede steht, zu zweifeln“, erklärte der Regierungssprecher.

Unions-Fraktionsgeschäftsführer Peter Altmaier will im Fall Wulff ebenfalls „kein juristisches Fehlverhalten erkennen“. Er sei zudem sicher, dass Wulff die Fragen, die an ihn gestellt würden, auch beantworten werde, sagte der CDU-Politiker im ZDF.

Der niedersächsische Ministerpräsident David McAllister nahm seinen Vorgänger ebenfalls in Schutz. Wulff habe die Frage nach seinen Geschäftsbeziehungen im niedersächsischen Landtag „formal korrekt beantwortet“, sagte der CDU-Politiker dem Radiosender „Hit-Radio Antenne“. Der 500.000-Euro-Kredit an sich sei die „private Angelegenheit“ des Bundespräsidenten.

SPD und Grüne fordern Entschuldigung

„Ganz offensichtlich hat der heutige Bundespräsident in seiner Zeit als niedersächsischer Ministerpräsident einen massiven Fehler begangen“, sagte der SPD-Innenexperte Sebastian Edathy dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Diesen Fehler sollte Wulff einräumen und sich dafür entschuldigen. „Kein politisch Verantwortlicher sollte sich dem Verdacht der Vorteilsnahme aussetzen“, fügte Edathy hinzu.

Die Vorsitzende der Grünen im Bundestag, Renate Künast, forderte Merkel zum Handeln auf. „Ich erwarte von der Bundeskanzlerin, dass sie Christian Wulff dazu bringt, alles offen zu legen und sich zu entschuldigen“, sagte sie der „Leipziger Volkszeitung“.

Wulff hatte 2010 die Frage der Grünen im Hannoveraner Landtag verneint, ob er als niedersächsischer Ministerpräsident geschäftliche Beziehungen zu Egon Geerkens oder seinem Firmenumfeld pflege. Einen 500.000-Euro-Kredit von dessen Ehefrau ließ er jedoch unerwähnt.

Die Anti-Korruptionsorganisation Transparency Deutschland hält dies für ein Versäumnis. Die Vorsitzende Edda Müller sagte im Deutschlandradio Kultur, es wäre politisch klug gewesen, wenn der damalige Ministerpräsident bei seiner Anhörung im Landtag auch den privaten Kreditvertrag erwähnt hätte: Ein Politiker müsse alles dafür tun, nicht den Anschein zu erwecken, seine Beziehungen „für eine Besserstellung gegenüber dem normalen Menschen“ zu nutzen.

Die SPD-Fraktion im niedersächsischen Landtag will nun sämtliche Urlaubsreisen Wulffs in seiner Zeit als Ministerpräsident durchleuchten. In einer Kleinen Anfrage wolle Fraktionschef Stefan Schostok auf eine Auflistung aller Urlaube zwischen 2003 und 2010 drängen, berichtete die „Bild“-Zeitung (Donnerstagausgabe) einem Vorabbericht zufolge.

Mit Material von dapd/dpa