Christian Wulff entschuldigt sich. Aber blasse Amtsführung ist sein wahres Problem

Christian Wulff hat sich gestern endlich durchgerungen. Der unter Druck geratene Bundespräsident bedauert sein Verhalten. Gerade noch rechtzeitig. Kleinlaut gab er zu, er hätte den Privatkredit über 500 000 Euro - bezahlt von der Frau eines befreundeten Unternehmers - erwähnen müssen, als die "geschäftlichen Beziehungen" mit eben diesem Unternehmerfreund das Thema einer parlamentarischen Anfrage gewesen waren. Da war er noch Ministerpräsident von Niedersachsen.

Wulff musste klar sein, dass weiteres Schweigen gefährlich gewesen wäre. Ein wichtiges Alarmzeichen: Die Kanzlerin - deren Amtsauffassung davon geprägt ist, dass sich die Verfassungsorgane nicht gegenseitig beäugen sollen - hatte sich bereits über ihren Sprecher zitieren lassen. Inhaltlich unverdächtig sprach sie Wulff zwar ihr "volles Vertrauen" aus, aber die Intervention als solche war bereits höchst ungewöhnlich.

Hat Wulff mit seinem mea culpa jetzt die Chance, auch das Vertrauen der Bürger zu gewinnen?

Die sind der Skandale überdrüssig. Auch sind sie es leid, dass gleich jede moralische Miniverfehlung zum skandalumtösten Rücktrittsgrund aufgebauscht wird. Übertreiben wir nicht doch mit fast übermenschlichen Maßstäben? Überfordern wir unsere Politiker, die auch nur Menschen sind? Sollten wir nicht lieber erleichtert sein, dass unser Land bisher nie einen Mann mit der Skandalpotenz eines Berlusconi politisch ganz nach oben gebracht hat?

Alle bisherigen Erkenntnisse zu Wulffs Fehlverhalten in diesem Fall reichen nicht, dem Mann an der Spitze des Staates das Vertrauen zu entziehen, auf das er und sein Amt Anspruch haben.

Mehr noch: Die Konzentration auf Wulffs Privatdarlehen inklusive seiner spitzfindigen Rhetorik, dies seien "keine geschäftlichen Beziehungen zu den in der Anfrage genannten Personen und Gesellschaften", vernebeln nur den Blick auf das wahre Problem dieses smarten und jüngsten Präsidenten, den das Land je hatte.

Christian Wulff hat in den anderthalb Jahren seiner Amtszeit immer noch nicht das Thema seiner Präsidentschaft gefunden. Und das trotz der historisch außergewöhnlichen Krise, die diese Zeit leider prägt. Eine Krise, in der sich nicht nur überempfindliche Bürger bange fragen: Was wird aus meinem Ersparten? Was wird aus unserem Euro? Was aus der dramatisch verblassenden Idee des gemeinsamen Europa in Frieden und Wohlstand? Kein Bürger hat zu alledem die befreiende Botschaft des Präsidenten vernommen. Er lässt sie sorgenvoll allein, erfüllt nicht ihr Bedürfnis nach so nötiger Orientierung.

Stattdessen flimmern freundliche Staatsbesuchsszenen von Wulff und seiner Frau aus fernen Ländern über die heimischen Bildschirme. Das gehört zwar zum Pflichtprogramm des Präsidentenpaars. Wo aber bleibt die Kür, die dieses Amt und seinen Träger erst zum unverwechselbaren Vorbild macht? Dafür ist es schon reichlich spät. Wenn nicht bald mehr kommt, droht ein Urteil, das die Erinnerung an die unselige Verstrickung in unglückliche Finanzverträge schnell wieder aufleben lässt: Kredit verspielt.