Der scheidende SPD-Chef, Franz Müntefering, gab sich angesichts der SPD-Krise bei seiner Abschiedsrede selbstkritisch aber kämpferisch.

Sichtlich bewegt war der scheidende SPD-Chef, Franz Müntefering, als die Genossen ihn auf ihrem Parteitag in Dresden mit einem minutenlangen Applaus verabschiedeten. Bei seiner Abschiedsrede war Müntefering zuvor mit sich und der Partei hart ins Gericht gegangen. So nahm er die Schuld für das Desaster bei der Bundestagswahl auf die eigene Kappe genommen. „Die Niederlage war selbst verschuldet“, sagte Müntefering. „Wir waren für viele die von gestern und aus der Mode gekommen.“ Zwar sei die SPD kein Feindbild, aber einfach nicht interessant genug gewesen. Die Wähler hätten anderen mehr vertraut oder andere Prioritäten gehabt.

Das klinge harmlos und leicht reparabel, sei es aber nicht, so der 69-Jährige. Er schwor seine Partei auf einen langen Kampf ein: „Der 27. September ist ein bitteres Ergebnis, aber nicht das letzte“, sagte er und fügte hinzu: „Wir sind kampffähig. Wir sind kampfbereit. Wir kommen wieder“, glaubt Müntefering. Die „politische Konkurrenz“ solle wissen, die SPD „zieht sich nicht als Selbsthilfegruppe ins Jammertal zurück“.

Offen ließ Müntefering, ob er an der Rente mit 67 festhalten will. Der SPD-Fraktionsvorsitzende, Frank-Walter Steinmeier, hatte zuletzt angekündigt, sie auf den Prüfstand stellen zu wollen. Müntefering plädierte lediglich für mehr „Individualisierung des Übergangs ins Rentenalter“ statt pauschaler Frühverrentung, „wie sie in den 80er und 90er Jahre üblich geworden ist zulasten der sozialen Sicherungssysteme“. Sozialpolitik müsse sich grundsätzlich an den wirtschaftlichen Verhältnissen ausrichten. Seit 1960 hätten sich die Rentenansprüche von 10 auf fast 20 Jahre verdoppelt.

Scharf kritisierte Müntefering die Bundesregierung. Schwarz-Gelb spalte die Gesellschaft. Sie predige Selters und trinke Sekt. Er warnte Schwarz-Gelb vor Einschnitten bei Kündigungsschutz, Mitbestimmung und Tarifautonomie. Schon bei der Gründung der großen Koalition 2005 habe die CDU/CSU hier etwas ganz anderes durchsetzen wollen, sagte er. „Wir bleiben auch jetzt hellwach und kampfbereit.“

Die in der SPD jetzt nötige offene Aussprache, Analyse und Orientierung sowie der Neuaufbau werde seine Zeit brauchen. Sie werde auch nicht mit dem Parteitag abgeschlossen sein. Eindringlich rief Müntefering seine Partei zur Geschlossenheit auf. 2005 habe die Partei fast einstimmig Wahlprogramm und Koalitionsvertrag beschlossen, sagte Müntefering am Freitag beim Parteitag in Dresden. „Aber sie ist im Herzen unglücklich und kritisiert, dass sie handeln, sich an Beschlüsse halten muss, die auf dem Parteitag gemeinsam gefasst hat.“ Die Parteiflügel verselbstständigten sich – das koste Kraft und Geschlossenheit. „Kein Wunder allerdings, dass die Wählerinnen und Wähler das alles – vor allem aber uns selbst - nicht recht verstehen.“ Er forderte: „Lasst diese Art von Prügelei.“