In seiner Rede prangerte Steinmeier die soziale Spaltung durch Schwarz-Gelb an und kündigte harten Oppositionskurs an.

Dresden. SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier will der neuen Koalition von Union und FDP einen harten Oppositionskurs entgegensetzen. Er warf Schwarz-Gelb am Sonnabend auf dem Parteitag in Dresden Klientelpolitik vor. Die Koalition verteile mit ihrem Wachstumsbeschleunigungsgesetz Geschenke für Gutverdienende, die auf Pump finanziert würden. Die Delegierten wollten in Dresden Korrekturen an der Sozialpolitik durchsetzen, die die SPD in elf Jahren Regierungsarbeit mitverantwortet hat.

Für ihre „schwere Wahlniederlage“ am 27. September und den Verlust von zehn Millionen Wählern seit 1998 listet die SPD-Spitze in ihrem Leitantrag eine Fülle von Ursachen auf. Eine zentrale Rolle spielen dabei die Hartz-IV-Arbeitsmarktreformen, die Rente mit 67, häufige Wechsel an der Führungsspitze sowie öffentlich ausgetragene Flügelkämpfe in der Partei. In einem Antrag wird gefordert, das Rentenalter wieder zu senken und eine Mindestrente einzuführen. Eine weitere kontroverse Debatte wird über den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr erwartet. Ein Antrag fordert ein Ende des deutschen Einsatzes.

Steinmeier, der bei der Bundestagswahl als Kanzlerkandidat mit 23 Prozent das schlechteste Ergebnis für die SPD in der Nachkriegszeit eingefahren hatte, ging in seiner Rede darauf nicht ein. Vor der Bundestagswahl hatte er als Außenminister noch ein Ausstiegskonzept für die deutschen Streitkräfte skizziert. Der neue SPD-Chef Sigmar Gabriel hatte am Freitag eingeräumt, dass auch er bisher keine Lösung für dieses Problem anbieten könne. Steinmeier vermied es insgesamt, auf die innerhalb der Sozialdemokratie heftig umstrittene Agenda-Reformpolitik des früheren Kanzlers Gerhard Schröder einzugehen, die er wesentlich mitgestaltet hatte.

Mit Blick auf den Kurs von Schwarz-Gelb prophezeite Steinmeier: „Die Mehrheit in Deutschland wird in die Röhre gucken.“ Er sagte den Sozialdemokraten voraus: „Vor uns liegt eine spannende Zeit. Vor uns liegt eine harte Zeit.“ Steinmeier zeigte sich aber nach dem ersten Tag des dreitägigen Parteitages „sehr zuversichtlich“, dass die Sozialdemokratie sich neu aufstellen könne. „Die Partei hat gezeigt, dass sie lebendig ist.“ Die erste Bewährungsprobe sei bereits im Mai kommenden Jahres bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen.

Altbundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) hielt seiner Partei vor, nicht auf der Höhe der Zeit zu sein. „Möglicherweise hat die Sozialdemokratie noch nicht in ihrer Breite verstanden, wie sehr sich die Gesellschaft verändert hat“, sagte er dem „Hamburger Abendblatt“. Heute stünden „andere Fragen im Zentrum als die der Arbeiterbewegung“. Als Beispiel nannte er die Integration der sieben Millionen Zuwanderer in Deutschland. Die elf Regierungsjahre hätten die Sozialdemokraten „nicht sonderlich verändert“, fügte der Altkanzler hinzu. „Aber die Gesellschaft hat sich in dieser Zeit sehr schnell verändert.“

Auf dem Parteitag wechselt die SPD auch ihre Führung aus. Bereits am ersten Tag wurde Gabriel von den gut 500 Delegierten mit einem unerwartet sehr überzeugenden Ergebnis von 94,2 Prozent zum Parteichef gewählt. Bei der Wahl seiner vier Stellvertreter erzielte Nordrhein-Westfalens SPD-Landesvorsitzende Hannelore Kraft mit 90,2 Prozent das beste Ergebnis. Gewählt wurden auch Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit, Mecklenburg-Vorpommerns Sozialministerin Manuela Schwesig und der frühere Arbeitsminister Olaf Scholz. Enttäuschende knappe 70 Prozent erhielt Andrea Nahles bei der Wahl zur SPD-Generalsekretärin.

Der Parteitag wählte am Sonnabend auch den Parteivorstand. Dabei erzielte die rheinland-pfälzischen Bildungsministerin Doris Ahnen mit rund 89 Prozent das beste Ergebnis im ersten Wahlgang. Der Generalsekretär der nordrhein-westfälischen SPD, Michael Groschek, fiel zunächst ebenso durch wie die frühere DGB-Vizevorsitzende Ursula Engelen-Kefer.