Der Chef der SPD-Fraktion im Bundestag spricht von eklatanten Fällen von Datenmissbrauch in großen deutschen Unternehmen.

Hamburg. Die SPD wird in der kommenden Woche einen Entwurf für ein neues Arbeitnehmerdatenschutzgesetz in den Bundestag einbringen. „Er regelt, welche Daten Arbeitgeber von Arbeitnehmern erheben, verwenden und weitergeben dürfen“, kündigte der Fraktionsvorsitzende Frank-Walter Steinmeier im Interview mit dem Hamburger Abendblatt (Sonnabend-Ausgabe) an.

Besonders sensibel müsse mit Gesundheitsdaten verfahren werden. Die Erstellung von Persönlichkeits- und Gesundheitsprofilen solle verboten werden. Für Unternehmen, die dagegen verstoßen, seien „empfindliche Geldstrafen und in besonders schweren Fällen auch Gefängnisstrafen vorgesehen“, erläuterte Steinmeier. „Die Fälle von Datenmissbrauch in deutschen Großunternehmen sind eklatant“, kritisierte der Fraktionsvorsitzende. „Die Skandale der jüngsten Zeit sind nicht vergessen. Hier ist alles aus den Fugen geraten. Es kann doch nicht sein, dass man seine Bürgerrechte am Fabriktor abgibt.“

Zugleich sprach Steinmeier sich grundsätzlich für neue Staatshilfen zur Rettung des angeschlagenen Autobauers Opel aus. „Es ist gut, dass General Motors die vier deutschen Opel-Standorte erhalten will. Wenn das Konzept darüber hinaus tragfähig ist und Arbeitsplätze in der Größenordnung des Magna-Konzepts garantiert werden, werden Bund und Länder ihre Hilfe nicht verweigern können“, sagte der Sozialdemokrat. „Voraussetzung muss allerdings sein, dass die Mittel für den Erhalt von Arbeitsplätzen in Deutschland eingesetzt werden.“ Steinmeier nannte die Entscheidungen der alten Bundesregierung zur Stabilisierung von Opel „hoch vernünftig“. Ohne diese Unterstützung „gäbe es Opel nicht mehr. Zehntausende Arbeitsplätze wären verloren gegangen“, betonte Steinmeier.

DAS INTERVIEW IM WORTLAUT

Zugleich bot der SPD-Politiker der schwarz-gelben Bundesregierung im Kampf gegen die Wirtschaftskrise die Zusammenarbeit an. „Wir sind ernsthaft bereit, mit der Regierung zusammenzuarbeiten, wenn sie den richtigen Weg mit gezielten Investitionen in Bildung und Zukunftsbranchen zu mehr Wachstum geht“, sagte Steinmeier. „Breit gestreute Steuersenkungen auf Pump, wie Schwarz-Gelb sie plant, führen nicht zu Wachstum. Das war bei Ronald Reagan und Theo Waigel so, und es wird bei Angela Merkel nicht anders sein.“

Zugleich attackierte der Fraktionschef die schwarz-gelbe Regierung scharf. „Die ersten Wochen von Schwarz-Gelb sind eine einzige Katastrophe“, sagte Steinmeier. Die Regierung habe „einen fürchterlichen Fehlstart hingelegt“. Besondere Sorge bereite ihm das geplante Betreuungsgeld. „Eine Prämie für Eltern, die ihre Kinder nicht mit anderen gemeinsam in der Kita lernen lassen, wird die soziale Spaltung in den Großstädten vertiefen“, kritisierte Steinmeier. „Das Betreuungsgeld führt dazu, dass gerade jene Kinder in den Familien bleiben, die es nötig hätten, zusammen mit anderen die deutsche Sprache zu lernen. Diesen Nachteil werden viele Kinder nie mehr aufholen können.“

Zudem warf er der schwarz-gelben Regierung vor, Klientelpolitik zu betreiben: „Wie kann man in einer dramatischen wirtschaftlichen Situation, die keine Spielräume lässt, ausgerechnet Hotelübernachtungen steuerlich begünstigen?“ Die Koalition gehe „mit einer Bedenkenlosigkeit in die Neuverschuldung, die selbst ich ihr nicht zugetraut hätte“.

Zudem ließ der SPD-Fraktionsvorsitzende in der Gespräch erkennen, dass er dem Parteivorsitzenden Sigmar Gabriel den ersten Zugriff auf die nächste Kanzlerkandidatur der Sozialdemokraten überlässt. „Der Parteivorsitzende hat das Vorschlagsrecht“, sagte Steinmeier. Diese Regel habe in der SPD immer gegolten. Allerdings zerbreche sich „jetzt niemand den Kopf“ über den nächsten Herausforderer von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).

Über die Machtverteilung in der SPD sagte Steinmeier: „Sigmar Gabriel führt die Partei, ich führe die Fraktion. Wir kennen uns lange und gut. Und ich kann ihnen sagen, dass wir gemeinsam eine starke Opposition sein werden.“ Andrea Nahles werde als Generalsekretärin „den Neuanfang der SPD maßgeblich mitgestalten“. Steinmeier räumte ein, „Typen wie Gerhard Schröder“ fehlten der deutschen Politik. „Er hat sich nie vor Entscheidungen gedrückt, waren sie auch noch so schwierig. Das unterscheidet ihn in positiver Weise von seiner Nachfolgerin."

Im Gegensatz zu Gabriel sieht Steinmeier die Grünen nach wie vor als besonderer Partner der SPD: „Die Annahme, die Grünen seien der natürliche Koalitionspartner der SPD, stimmt nicht mehr. Das wissen wir, seit es Schwarz-Grün in Hamburg gibt. Trotzdem behaupte ich, dass sich SPD und Grüne inhaltlich immer noch deutlich näher sind als allen anderen Parteien.“ Er glaube auch noch an rot-grüne Mehrheiten. Die SPD müsse sich zugleich darauf einstellen, dass „in Sechsparteienparlamenten wie jetzt Mehrheitsbildungen schwieriger sind als vor 20 Jahren“. Der Fraktionsvorsitzende betonte: „Wir müssen uns so präsentieren, dass die Machtoptionen wieder reichhaltiger werden als bei der letzten Bundestagswahl.“