30.000 Menschen haben der Bestattung von 613 Opfern des Massakers von Srebrenica beigewohnt. Menschenrechtler geißeln Europas Mitschuld.

Sarajevo. Zehntausende Menschen haben am heutigen Montag in der ostbosnischen Stadt Srebrenica des Massakers vor 16 Jahren gedacht. Die Besucher haben der Bestattung von 613 Opfern der schlimmsten Massentötungen seit dem Zweiten Weltkrieg beigewohnt. Sie wurden am Jahrestag auf dem Friedhof in Potocari vor den Toren Srebrenicas bestattet.

In dem bosnischen Ort waren während des Bürgerkrieges im Juli 1995 über 8000 muslimische Männer und Jungen von serbischen Verbänden ermordet worden. Niederländische UN-Truppen, auf deren Gelände 30.000 Menschen geflüchtet waren, hatten nach Angriffsdrohungen des Serbenführers und mutmaßlichen Kriegsverbrechers Ratko Mladic die Tore zu ihrer Basis geöffnet. Die Opfer waren im letzten Jahr aus verschiedenen Massengräbern geborgen und durch DNA-Analysen identifiziert worden. Der Jüngste von ihnen war mit 11 Jahren Nesib Muhic. Das älteste Opfer war 82 Jahre alt. Damit sind jetzt 5137 aller Opfer des Massakers auf dem Friedhof in Potocari beigesetzt.

Rund 30 000 Menschen aus ganz Bosnien nahmen an der Gedenkfeier teil, die von mehr als 2000 Polizisten gesichert wurde. Die meisten Redner verlangten, aus diesem größten Kriegsverbrechen in Europa nach 1945 die Lehre „nie mehr wieder“ zu ziehen. Zahlreiche Teilnehmer der religiösen Feier drückten ihre Genugtuung aus, dass der Befehlshaber dieses Massakers, der serbische General Ratko Mladic, sich nach über zehnjähriger Flucht seit dem letzten Monat vor dem UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag verantworten muss.

Menschenrechtler geißeln europäische Mitschuld am Massaker

Eine internationale Mitschuld am Massaker von Srebrenica wird aus Sicht der Gesellschaft für bedrohte Völker zu wenig beachtet. Medien, Öffentlichkeit und Politik dürften die Schuld der Regierungen Frankreichs und Großbritanniens nicht länger verschweigen, forderte die GfbV am Montag in Göttingen anlässlich des 16. Jahrestages der Mordaktion. Ebenso wenig dürfe das Versagen der damaligen deutschen Bundesregierung unter Kanzler Helmut Kohl und Außenminister Klaus Kinkel vergessen werden.

Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation haben die Regierungen von Francois Mitterand und John Major den Angriffskrieg der serbischen Armee und der serbischen Milizen gegen Bosnien-Herzegowina 1992-1995 unterstützt. So hätten französische, britische und kanadische Oberkommandierende der UN-Truppen vor Ort die angreifenden serbischen Truppen auf vielerlei Weise begünstigt und die kontinuierlichen Angriffe auf zivile Objekte nicht verhindert. Jüdische Persönlichkeiten wie Simon Wiesenthal, der ehemalige Kommandeur der Freiheitskämpfer des Warschauer Ghettos, Marek Edelman, Elie Wiesel, Alain Finkielkraut, Bernard-Henri Levy, Susan Sontag und Andre Glucksmann hätten damals das Schweigen oder die Mitschuld Europas immer wieder gegeißelt und Konsequenzen aus dem Holocaust gefordert.

„Auch die Regierung Kohl/Kinkel blieb tatenlos“, heißt es weiter. Statt für eine Intervention einzutreten, habe sie lediglich ein Waffenembargo für die Region gefordert – „zu einer Zeit, als Serbien über die gesamte Waffenindustrie Jugoslawiens verfügte und die Eingeschlossenen von Sarajevo, Bihac, Tuzla, Gorazde, Zepa und Srebrenica sich mit kümmerlichen Waffenbeständen wehren mussten“.

Mit Material von dpa/dapd/kna