Glaubt man dem wegen Völkermordes angeklagten Serben-Führer, soll das Land Aufzeichnungen zu illegalen Waffenlieferungen zurückgehalten haben.

Den Haag. Der wegen Völkermords angeklagte Radovan Karadzic verdächtigt die Bundesregierung der Lüge und der Zurückhaltung von Aufzeichnungen zu illegalen Waffenlieferungen im Bosnienkrieg. In einem veröffentlichten Brief an den deutschen Botschafter in Den Haag fordert Karadzic Deutschland auf, „Anstrengungen zur Auffindung dieser Dokumente zu verdoppeln“, die für Nato-Partner möglicherweise peinlich wären.

Botschafter Thomas Läufer hatte dem Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien (ICTY) am 18. Juni im Auftrag der Bundesregierung mitgeteilt, Deutschland sei nicht im Besitz der von Karadzic erbetenen Aufzeichnungen. Der einstige Führer der bosnischen Serben will nach eigenen Angaben mit Hilfe von angeblich in deutschen Regierungsarchiven existierenden Dokumenten beweisen, dass die Nato im Bosnienkrieg 1992-1995 unter Umgehung eines UN-Embargos Waffen an bosnische Muslime für den Kampf gegen die Serben geliefert hat. Karadzic tritt als sein eigener Anwalt auf. Vor dem Uno-Tribunal erklärte er, die Serben hätten sich seinerzeit gegen Angriffe von Muslimen verteidigen müssen, die von der Nato unterstützt worden seien.

Unter anderem geht es laut Karadzic um angebliche Erkenntnisse deutscher Geheimdienste über Waffenlieferung aus Großbritannien und Frankreich, die teils über den Flughafen Frankfurt abgewickelt worden seien. Das Uno-Tribunal hatte die Bundesregierung im Mai auf Antrag des Angeklagten aufgefordert, nach Aufzeichnungen zu suchen und sie bis zum 18. Juni auszuhändigen. In seinem vom ICTY veröffentlichten Brief an den deutschen Botschafter vom 28. Juni erklärt Karadzic, der frühere Bundespostminister Christian Schwarz-Schilling habe im Gespräch mit der Deutschen Welle erklärt, die Bundesregierung verfüge „möglicherweise“ über kompromittierende Dokumente über Waffenlieferungen Frankreichs und Großbritanniens.

Karadzic werden in elf Fällen Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen – darunter seine mutmaßliche Verantwortung für den Völkermord an etwa 8000 Muslimen in der Uno-Schutzzone Srebrenica durch bosnisch-serbische Truppen im Juli 1995. Er war im Juli 2008 nach 13-jähriger Flucht in Belgrad festgenommen und an den Strafgerichtshof in Den Haag ausgeliefert worden.