Aktivisten in Ägypten und Sudan äußern sich freudig zu den Umwälzungen in Tunesien. Sie hoffen auf das Ende autoritärer Regime.

Kairo. Der vom tunesischen Volk mit massiven Protesten erzwungene Rückzug des Präsidenten Zine El Abidine Ben Ali beflügelt auch in anderen Teilen der arabischen Welt die Hoffnung auf demokratische Reformen. So werden die Ereignisse um den ins saudiarabische Exil geflüchteten bisherigen Machthaber vielerorts als Vorbote für ein mögliches Ende anderer autoritärer Regime im Maghreb und den unmittelbaren Nachbarregionen gefeiert.

Im Internet wurden über Twitter, Facebook und Blogs Tausende Glückwunschmeldungen verbreitet. Manch einer ersetzte sein Profilfoto auf der sozialen Internetplattform Facebook sogar durch ein Bild von der tunesischen Nationalfahne.

Die Begeisterung über die jüngste Entwicklung war auch vor der tunesischen Botschaft in Kairo groß. Dort vollführten Dutzende ägyptische Gegner des seit Jahrzehnten regierenden Präsidenten Husni Mubarak Freudentänze und skandierten: „Ben Ali, sag Mubarak, dass auch auf ihn ein Flugzeug wartet!“

Unter ihnen ist auch der Menschenrechtsaktivist Hossam Bahgat. Als von der Auflösung der tunesischen Regierung berichtet worden sei, habe man ihn nicht vom Bildschirm trennen können, erzählt er der Nachrichtenagentur AP.

Hervorzuheben sei vor allem, dass das tunesische Regime noch vor wenigen Tagen scheinbar unerschütterlich gewesen sei, dann aber doch schließlich die Demokratie gesiegt habe, ohne dass ein westlicher Staat einen Finger habe heben müssen. „Ich glaube, dass wir unserer eigenen Befreiung nun einen großen Schritt näher gekommen sind.“ So seien die jüngsten Ereignisse in Tunesien Wind in den Segeln von Oppositionsbewegungen, in deren Länder die Staatslenker oft ein Leben lang an der Macht seien. „Gerade die Reformbemühungen in Ägypten werden nun einen ungemeinen Auftrieb erfahren,“ sagt Bahgat.

In der Tat muss sich der inzwischen 82-jährige Mubarak, der Ägypten seit nunmehr drei Jahrzehnten eisern regiert, mit der wachsenden Unzufriedenheit über unzureichende demokratische Reformen und wiederholt aufkeimende Protesten über die schwierige Wirtschaftslage auseinandersetzen.

Auch im Königreich Jordanien kam es in einigen Städten zu vereinzelten Protestaktionen wegen hoher Preise für Benzin und Nahrungsmittel. Zuvor hatte König Abdullah II. einige Preise und Steuern gesenkt, um den Volkszorn zu besänftigen und armen Bevölkerungsschichten entgegenzukommen.

Unterdessen rufen die politischen Umwälzungen in Tunis im Sudan, in dem der Süden des Landes dieser Tage über die Unabhängigkeit vom Norden abstimmt, gemischte Reaktionen bei der Oppositionspolitikerin Mariam al Sadek hervor. Zwar freue sie sich darüber, dass Ben Ali nun gestürzt worden sei, fühle aber gleichzeitig Trauer darüber, dass ihren Landsleuten bislang noch nicht das gleiche geglückt sei. Die Situation in Tunesien, die dort zu den jüngsten Ergebnissen geführt hätten, seien so unerheblich im Vergleich zu dem, was die Menschen im Sudan durchmachten. „Unser Land steht vor einer Teilung, wir verlieren unsere Souveränität und werden gedemütigt“, sagt sie. Angesichts der Ereignisse in Tunesien schäme sie sich für ihr Land.

Neben der als wahrscheinlich geltenden Loslösung des Südsudans muss Machthaber Omar al Baschir Oppositionsbestrebungen im Westen und Osten des Landes sowie regierungsinterne Kritik hinnehmen. Gegen ihn liegt außerdem wegen mutmaßlichen Kriegsverbrechen in Darfur ein internationaler Haftbefehl vor.

In Paris haben sich rund 200 Menschen auf dem Place des Invalides, nachdem der Menschenstrom von der nahegelegenen tunesischen Botschaft weggeleitet worden ist. Die Zufahrtsstraße zur Botschaft ist von französischen Polizisten für Fußgänger und Autofahrer weiträumig abgesperrt worden. Einige haben die tunesische Nationalflagge zu Umhängen umfunktioniert – so auch der 21-jährige Haitham Masri. Dies sei wirklich ein Feiertag, erklärt der Student, der aus dem südtunesischen Sfax stammt und seit zwei Jahren in der französischen Hauptstadt lebt. Gleichzeitig erklärt er jedoch, dass die Freiheitsbewegung noch nicht am Ziel sei.

Es sei wie in der Halbzeitpause eines wichtigen Fußballspiels, wenn die Heimmannschaft 1:0 führe, erläutert er. So sei man zwar mit der bisherigen Leistung hochzufrieden, bereite sich aber nun auf die zweite Halbzeit vor. „Wir haben die Schlacht gewonnen, aber noch nicht den Krieg.“