Das Auswärtige Amt hat die Reisehinweise auf „erhöhte Vorsicht“ korrigiert. Trotzdem gibt es kaum Stornierungen von Reisen nach Tunesien.

Berlin/Tunis. Trotz der Unruhen in Tunesien verzeichnen die führenden Reiseveranstalter in Deutschland keine Stornierungen. Es gebe lediglich „vereinzelte Nachfragen“ von Kunden, die sich über die Lage informieren wollen, sagte ein Sprecher des Deutschen Reiseverbandes mit Verweis auf eine Umfrage unter mehreren großen Veranstaltern.

Bei gewaltsamen Protesten gegen die hohe Arbeitslosigkeit waren in Tunesien zahlreiche Menschen ums Leben gekommen. Das Auswärtige Amt hatte seine Reisehinweise wegen der Unruhen aktualisiert und riet zu „erhöhter Vorsicht“ in dem nordafrikanischen Land. Laut Reiseverband haben die Anbieter ihre Reisegäste vor Ort über den neuen Sicherheitshinweis informiert. Allerdings seien keine Touristenregionen von den Auseinandersetzungen betroffen. Die Touristenhochburgen seien „weit weg und nicht Ziel der Angriffe“, sagte der Verbandssprecher. Zudem sei in Tunesien Nebensaison, weshalb sich dort weniger deutsche Urlauber aufhalten als etwa im Sommer.

Bei einem Reisehinweis haben Urlauber grundsätzlich keinen Anspruch auf kostenlose Stornierungen oder Umbuchungen. Eine kostenlose Stornierung ist nur möglich, wenn das Auswärtige Amt eine offizielle Reisewarnung für ein Land herausgibt.

Der autoritär regierende tunesische Staatschef Zine el-Abidine Ben Ali, 74, gibt sich derweil erst recht als Hardliner. Die Polizei lässt er in die Menge der Demonstranten schießen, protestierende Jugendliche diffamiert er als „Terroristen“, Demonstranten als „vermummte Gangster“ und „feindliche Elemente im Sold des Auslands“. Allerdings ist sich der ehemalige Geheimdienstmann gewiss, dass er mit Repression allein der Unruhen auf Dauer nicht Herr werden kann. Und weil es die Perspektiv- und Arbeitslosigkeit ist, die junge Leute in Massen auf die Straßen treibt, sah er sich jetzt bemüßigt, die Schaffung von 300.000 neuen Arbeitsplätzen bis zum Jahr 2012 zu versprechen.

Bei der Unabhängigkeit von Frankreich im Jahr 1956 war er 19 Jahre alt. Nach seiner Militärausbildung in Frankreich und den USA wechselte er zum Armeegeheimdienst. 1985 zum Minister für nationale Sicherheit ernannt, wurde er 1986 Innenminister und Anfang 1987 Regierungschef. Seinen Vorgänger als Staatschef, den früheren Führer im Kampf gegen die Kolonialmacht Frankreich, den despotisch regierenden Habib Bourguiba, erklärte er im November 1987 wegen „Senilität“ für abgesetzt. Seitdem führt Ben Ali das nordafrikanische Land mit harter Hand.

Im Oktober 2009 gewann Ben Ali sein fünftes Präsidentschaftsmandat in Folge, allerdings erstmals mit weniger als 90 Prozent der Stimmen. Theoretisch dürfte das fünfjährige Mandat auch sein letztes sein, denn die 2002 vom Parlament geänderte und in einem Volksentscheid mit großer Mehrheit bestätigte Verfassung erlaubt unbegrenzt viele Amtszeiten in Folge, begrenzt das Alter des Staatsoberhaupts zugleich aber auf 75 Jahre.

Menschenrechtsorganisationen bemängeln seit Jahren Einschnitte bei Presse- und Meinungsfreiheit sowie Repressalien gegen Oppositionelle und starke staatliche Überwachung. Die Rede ist von Folter politischer Gefangener und fortgesetzter Isolationshaft. Unter dem Vorwand des Anti-Terror-Kampfs gegen islamistische Gruppen habe die Repression zum Teil sogar noch zugenommen, auch wenn Ben Ali von der Notwendigkeit spreche, „den demokratischen Prozess auszubauen“.