Truppen des Regimes starten in mehreren Städten Gegenoffensiven. Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen schließt Libyen aus.

Hamburg. "Bis zum letzten Mann und zur letzten Frau" will Libyens Staatschef Muammar al-Gaddafi kämpfen, um sein Land "vom Norden bis zum Süden zu verteidigen". Das sagte der bedrängte Diktator gestern in einer Ansprache an seine Anhänger sowie ausländische Medienvertreter zum "34. Jahrestag der Herrschaft des Volkes" in einem Festsaal in Tripolis. Im Falle einer Intervention der Nato werde es "Tausende Todesopfer" in Libyen geben; es werde "viel Blut fließen". Der seit 1969 herrschende "Revolutionsführer" ließ sich feiern und wirkte nach Augenzeugenberichten gelöst. Er bot an, die Vorgänge in seinem Land von Uno und Nato untersuchen zu lassen.

Sein Sohn Saif al-Islam sagte gegenüber dem Pariser "Figaro", die Lage sei "ausgezeichnet" und von einem Fall des Regimes könne keine Rede sein. "In zwei Tagen wird alles wieder den gewohnten Gang gehen", beteuerte der Sohn des Staatschefs. Zwar sei die Lage im Osten noch chaotisch, doch auch dort werde bald Ruhe einkehren. Der Menschenrechtsrat der Uno schloss Libyen als Mitglied aus. "Wer die Menschenrechte mit Füßen tritt, wer das eigene Volk bekämpft, hat im Menschenrechtsrat nichts zu suchen", sagte Bundesaußenminister Guido Westerwelle in Berlin. Der Internationale Strafgerichtshof in Den Hag nahm gestern Ermittlungen gegen den Gaddafi-Clan wegen des Verdachts auf Verbrechen gegen die Menschlichkeit auf.

Gaddafis Truppen befanden sich derweil an mehreren Fronten in der Offensive, um Städte und Territorien von der Oppositionsbewegung zurückzuerobern. Es kam Berichten nach zu heftigen Kämpfen. Vor allem der Osten Libyens mit der Metropole Bengasi ist fast vollständig von Gaddafi abgefallen - wie auch Teile der Armee. Der arabische Fernsehsender al-Dschasira zeigte Bilder aus einer Kaserne im Osten: Gaddafi-Gegner bewaffneten sich und brachten Luftabwehrgeschütze in Stellung. Zwei Kampfflugzeuge des Regimes bombardierten derweil ein Munitionsdepot nahe der ostlibyschen Stadt Adschdabija. "Ich kann die Jets angreifen sehen", berichtete ein Augenzeuge.

Die militärische Lage blieb jedoch unklar. Das Staatsfernsehen meldete, die Armee habe Adschdabija, Gharjan, Sabratha wie auch die wichtige Stadt Brega, 200 Kilometer von Bengasi entfernt, zurückerobert und kontrolliert nun Ölanlagen, Flugplätze und Seehäfen. Die Opposition dagegen behauptete, die Angriffe seien zurückgeschlagen worden. Die Rebellen forderten die Uno auf, Luftangriffe auf Söldner zu erlauben, die Gaddafi unterstützen. Es dürfte aber keine fremden Truppen auf libyschem Boden geben. Mustafa Gheriani, ein Sprecher der Anti-Gaddafi-Bewegung 17. Februar, sagte, es müsse Luftangriffe geben, um "den letzten Nagel in Gaddafis Sarg zu treiben". Die Rebellen bildeten einen Militärrat, um den Kampf zu koordinieren.

Westerwelle mahnte die Einbindung des Uno-Sicherheitsrats in eine Debatte um ein mögliches militärisches Eingreifen des Westens an. "Diskussionen über militärische Optionen könnten kontraproduktiv sein", sagte der Außenminister. Der Westen dürfe der Propaganda Gaddafis nicht in die Hände spielen.

Der Londoner "Guardian" berichtete dazu, der britische Premierminister David Cameron, der am Vortag noch mit Forderungen nach sofortiger Einrichtung einer Flugverbotszone über Libyen und nach Bewaffnung der libyschen Rebellen vorgeprescht war, sei bei der US-Regierung von Präsident Barack Obama damit auf Widerstand gestoßen. Eine hochrangige Quelle im britischen Militär sagte, Downing Street übersehe offenbar das Risiko, in einen langen und potenziell gefährlichen Konflikt gezogen zu werden. Zunächst müsste dann in einer komplexen Militäroperation Gaddafis Luftverteidigung ausgeschaltet werden.

Saif al-Islam spottete gegenüber "Sky News" mit Blick auf Cameron: "Jeder möchte ein Held sein, bedeutend in der Geschichte."

Die britische Regierung hielt jedoch an dem Plan fest. Eine Flugverbotszone - die Gaddafi daran hindern soll, das eigene Volk bombardieren zu lassen - könne ohne Zustimmung des Uno-Sicherheitsrats eingerichtet werden, sagte Premier Cameron der BBC. "Das kommt auf die Lage am Boden an."

Obwohl es derzeit noch nicht nach Militärmaßnahmen aussieht - und Russland als Vetomacht im Sicherheitsrat dies auch ablehnt -, treiben die Nato-Staaten Einsatzpläne für einen solchen Fall voran. Vorbild ist die Flugverbotszone über Bosnien 1993, um Flugzeuge der Luftwaffe von Machthaber Slobodan Milosevic am Boden zu halten. Dafür gab es ein Mandat des Sicherheitsrats. "Ganz klar wird jetzt an Krisenplänen gearbeitet", sagte ein hoher Diplomat der EU in Brüssel.