Gaddafi soll an seinen Reden im Fernsehen gehindert werden. Der wirre Diktator fragte in einem Interview: „Proteste? Welche Proteste?“

Tripolis/Washington/London. Nach der Verhängung von Uno-Sanktionen gegen Libyens Machthaber Muammar al-Gaddafi berät die internationale Gemeinschaft über ihr weiteres Vorgehen in der Krise. US-Außenministerin Hillary Clinton traf am Sonntagabend in Genf ein, wo sie im Uno-Menschenrechtsrat sowie in bilateralen Gesprächen über die Lage in Libyen beraten will. Laut „New York Times“ prüfen die USA und Europa ein Flugverbot über Libyen. Die internationale Gemeinschaft müsse eine „humanitäre“, aber auch eine „politische“ Antwort auf die Krise in dem nordafrikanischen Land finden, sagte Clinton auf dem Flug nach Genf. Derzeit versuchten die Libyer, „sich für die Zeit nach Gaddafi zu organisieren“.

Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) wollte vor dem Uno-Menschenrechtsrat eine Erklärung zur Lage in Libyen abgeben. In einer einstimmig angenommenen Resolution hatte sich der Rat am Freitag dafür ausgesprochen, das Land angesichts der Gewalt der Regierung gegen Demonstranten auszuschließen. Ein solcher Ausschluss kann jedoch nur von der Uno-Vollversammlung in New York beschlossen werden, die am Dienstag tagt. Der Uno-Sicherheitsrat hatte umfassende Sanktionen gegen Gaddafi und seine Gefolgsleute beschlossen, darunter Reiseverbote, Kontosperren und ein Waffenembargo.

Die „New York Times“ berichtete unter Berufung auf einen hochrangigen Regierungsvertreter, hinsichtlich eines Flugverbots in Libyen seien weitere Beratungen im Sicherheitsrat nötig. Es sei allerdings unwahrscheinlich, dass das Gremium handele, solange die Gewalt der libyschen Führung gegen Zivilisten, etwa durch Luftangriffe, nicht deutlich zunehme, schrieb die Zeitung. Eine entscheidende Rolle spiele in der Angelegenheit Italien, das einen umfangreichen Freundschaftsvertrag mit Libyen geschlossen hatte. Der italienische Außenminister Franco Frattini hatte am Sonntag erklärt, der Vertrag aus dem Jahr 2008 sei „de facto ausgesetzt“. Angesprochen auf die Verhängung eines Flugverbots über Libyen sagte Frattini: „Das ist eine Option, die eine wirkliche Eskalation einer Militär-artigen Intervention darstellen würde. Wir brauchen Zeit, um darüber nachzudenken.“

Laut „NYT“ enthält der Freundschaftsvertrag zwischen Rom und Tripolis auch eine Nicht-Angriffsklausel. Dies kompliziere nach Experteneinschätzung Italiens Position im Falle eines militärisch durchgesetzten Flugverbotes in Libyen. In dem Bericht heißt es zudem, dass die US-Regierung die Möglichkeit prüfe, Gaddafi die Möglichkeit zu nehmen, seine Ansichten per Rundfunk und Fernsehen zu verbreiten. Heißt: Die USA würden die Fernsehsender stören oder per Cyberangriff die Telekommunikationseinrichtungen lahmlegen.

Großbritannien fror derweil die Guthaben des Gaddafi-Clans ein, wie Finanzminister George Osborne mitteilte. Nach Informationen der Zeitung „Telegraph“ geht die Regierung davon aus, dass Gaddafi über umgerechnet 23,4 Milliarden Euro in bar verfügt – der größte Teil davon auf Konten Londoner Banken. Der britische Premierminister David Cameron forderte Gaddafi zum Rücktritt auf.

Gaddafi hatte zuvor die gegen sein Land verhängten Uno-Sanktionen als „wertlos“ bezeichnet. In einem am Sonntagabend von dem serbischen Privatsender Pink TV ausgestrahlten Telefoninterview bestritt Gaddafi zudem, dass es in seinem Land Proteste gibt. Libysche Regierungsgegner brachten jedoch nach eigenen Angaben auch im Westen des Landes inzwischen mehrere Städte unter ihre Kontrolle. Ein AFP-Reporter bestätigte, dass in Nalut 235 Kilometer westlich von Tripolis keinerlei Gaddafi-treuen Truppen mehr waren.

Die britische Luftwaffe hat am Sonntag erneut Ausländer aus Libyen in Sicherheit gebracht. Drei Transportflugzeuge nahmen in der libyschen Wüste im Osten des Landes rund 150 Arbeiter von Ölfirmen an Bord und flogen sie nach Malta. Das teilte der britische Verteidigungsminister Liam Fox mit. Ein Arbeiter aus Malta sagte nach der Evakuierungsaktion, er habe aus Angst vor Gewalttaten mit rund 40 Kollegen in einem libyschen Dorf fünf Tage in einem Schutzraum ausgeharrt. Die Situation sei höchst angespannt gewesen. Bereits am Sonnabend hatte die Royal Air Force – ebenso wie die Bundeswehr – Ausländer aus dem nordafrikanischen Krisenland ausgeflogen. (AFP/rtr/abendblatt.de)