Was mit Demonstrationen begann, wird nun in offenen Schlachten ausgetragen. US-Senator John Kerry spricht sich für Flugverbotszone aus.

Tripolis. Angesichts erbitterter Kämpfe zwischen Aufständischen und Regierungstruppen in Libyen wächst die Angst vor einem langen Bürgerkrieg. Truppen von Machthaber Muammar al-Gaddafi griffen am Sonntag drei von Rebellen gehaltene Städte an. Dabei kamen Panzer, Artillerie, Kampfflugzeuge und Hubschrauber zum Einsatz. Die Kämpfe ereigneten sich in den Städten Sawija und Misrata im Westen des Landes sowie in der Ölhafenstadt Ras Lanuf weiter im Osten. Regierungssprecher berichteten von Erfolgen. Gaddafi beklagte sich über mangelnde Unterstützung aus dem Ausland. Er kämpfe gegen den Terrorismus, sagte der seit über 40 Jahren herrschende Staatschef. Die EU entsandte eine Delegation nach Tripolis, um sich über die Lage der Bevölkerung zu informieren.

Gaddafi-treuen Soldaten gelang es am Sonntag, die Aufständischen aus Bin Dschawad zurückzudrängen. Die Stadt liegt zwischen Ras Lanuf und Gaddafis Heimatstadt Sirte. Soldaten hätten mit Maschinengewehren und Panzerfäusten angegriffen, berichteten Oppositionelle. Einige Rebellen seien von Scharfschützen getroffen worden. Klinikärzte in Ras Lanuf berichteten von zwei Toten und 22 Verletzten, mehrere davon schwer. Ein französischer Fotograf erlitt eine Schussverletzung am Bein. Rebellen schossen nach eigener Darstellung einen Hubschrauber von Gaddafi-Truppen im Osten des Landes ab.

Heftige Kämpfe gab es auch im Westen des Landes. Rebellen sprachen von einem erneuten Angriff von Gaddafi-Truppen auf die Stadt Sawija, die etwa 50 Kilometer von Tripolis entfernt ist. Um die Stadt wird seit Tagen gekämpft. Nach Angaben von Ärzten gab es am Freitag und Sonnabend viele Tote. Unklar war zunächst die Ursache für schweres Maschinengewehrfeuer in Tripolis. Nach Darstellung der Regierung wurde damit die Rückeroberung mehrerer Städte gefeiert.

Ein Regierungssprecher erklärte, die Armee sei dabei, auch Bengasi zurückzuerobern. Der Ort, wo die Proteste gegen Gaddafi ihren Anfang nahmen, war jedoch weiter in der Hand von Rebellen. Im Staatsfernsehen wurde angekündigt, zur Feier von Erfolgen im Kampf gegen Rebellen würden Zölle auf importierte Grundnahrungsmittel sowie Verbrauchs- und Produktionssteuern abgeschafft.

Gaddafi führt nach eigener Darstellung in seinem Land einen Kampf gegen Extremisten. "Ich bin überrascht, dass niemand versteht, dass das ein Kampf gegen den Terrorismus ist", sagte er der Zeitung "Journal du Dimanche". "Unsere Sicherheitsdienste arbeiten zusammen. Wir haben euch in den vergangenen Jahren so sehr unterstützt", sagte er. Er frage sich, warum ihm niemand beim Kampf gegen den Terror helfe.

Aus Kreisen der Aufständischen verlautete, dass mehrere Angehörige von britischen Spezialkräften im Osten des Landes gefangen genommen worden seien. Man habe nicht feststellen können, ob es sich um Freunde oder Feinde gehandelt habe. Die Lage werde bald geklärt sein. Der britische Verteidigungsminister Liam Fox bestätigte nur, dass sich eine kleine diplomatische Gruppe aus Großbritannien in Bengasi aufhalte. Der Zeitung "Sunday Times" zufolge handelt es sich um acht Mitglieder des Special Air Service, die einen britischen Diplomaten begleitet hätten. Oppositionelle seien über den Einsatz verärgert, weil Gaddafi dies als Intervention des Westens darstellen könnte.

Der Fernsehsender CNN zeigte Aufnahmen von Regierungsgegnern, die den Abschuss eines Kampfflugzeugs der Regierung feierten. Dieses war nach Augenzeugenberichten am Sonnabend nahe Ras Lanuf abgestürzt. Von den Gewährsleuten aufgenommene Fotos zeigten den Leichnam des Piloten und Wrackteile der Maschine. Laut CNN erklärten Regierungsgegner, sie hätten das Flugzeug abgeschossen.

Die USA und ihre Verbündeten sollten nach Ansicht von US-Senator John Kerry eine Flugverbotszone über Libyen vorbereiten. Ohne eine internationale Einigung sollte ein Flugverbot aber nicht in Kraft treten, sagte der Vorsitzende des Ausschusses für auswärtige Beziehungen im US-Senat dem Fernsehsender CBS. Außerdem sollte ein Vorgehen gegen die libysche Luftwaffe nur als Reaktion auf Angriffe auf Zivilisten in Erwägung gezogen werden.

Anders als US-Verteidigungsminister Robert Gates betrachte er ein Flugverbot nicht als militärische Intervention, sagte Kerry. Gates hatte erklärt, eine Flugverbotszone käme einem Krieg gleich: Nur mit einem kriegerischen Akt könne die libysche Luftwaffe am Boden gehalten werden. Zur Durchsetzung einer Flugverbotszone würde ein Flugzeugträger - der über rund 75 Kampfjets verfügt - nicht ausreichen.