US-Präsident Barack Obama hat die bisher schärfste Kritik an der Konzernführung geäußert. Ein Ende der Katastrophe ist nicht in Sicht.

Washington. 50 Tage Ölkatastrophe und kein baldiges Ende in Sicht: In den USA wächst der Zorn auf den Ölriesen BP, auch bei Präsident Barack Obama. Stünde es in seiner Macht, hätte er den BP-Chef Tony Hayward schon längst gefeuert, sagte Obama am Dienstag in einem Interview des Senders NBC. Es war seine bisher schärfste Kritik an dem britischen Konzern und dessen Führung, seit die Plattform „Deepwater Horizon“ am 20. April im Golf von Mexiko versunken ist.

Die US-Behörde für Ozeanographie (NOAA) bestätigte, dass es weit entfernt von der Unfallstelle zwei große Unterwasser-Ölschwaden gibt, die von dem Unglück herrühren. Damit sind auch Meerestiere in größeren Tiefen bedroht. Am Montag hatte die für Wildtiere zuständige Behörde (U.S. Fish and Wildlife Service) von mehr als 1000 ölverschmierten Vögeln berichtet, die – tot oder lebendig – an der Küste gefunden worden seien. Von der Ölpest sind bisher hauptsächlich die Strände und Marschen von Louisiana betroffen, aber auch in Alabama, Mississippi und Florida wird immer mehr schweres Öl angeschwemmt. Die eine Unterwasser-Schwade befindet sich nach Angaben von NOAA- Chefin Jane Lubchenko gut 260 Kilometer von der Unglücksstelle entfernt, die andere rund 78 Kilometer. Nach Proben-Analysen reichten die Ölwolken von der Wasseroberfläche aus bis zu 1000 Meter in die Tiefe. Die Konzentration sei aber gering.

BP pumpt zurzeit einen Teil des aus dem Steigrohr am Meeresboden austretenden Öls auf ein Schiff. Wie Admiral Thad Allen, der Chef der US-Küstenwache, am Dienstag sagte, konnte die tägliche Menge mittlerweile auf gut 2000 Tonnen gesteigert werden. Wie viel Öl aus dem Leck kommt, ist aber nach wie vor unklar: Nach offiziellen Schätzungen könnten es bis zu 3400 Tonnen täglich sein.

Obama reagierte in dem Interview zum Teil auf Äußerungen Haywards im vergangenen Monat. So hatte sich der BP-Chef über den großen Zeitaufwand beklagt, den ihn der Kampf gegen die Ölpest kostet, und erklärt, er wolle sein „Leben wiederhaben“. Außerdem hatte er die Folgen der Katastrophe heruntergespielt: Der Golf von Mexiko sei ein „großer Ozean“, zitierte NBC Haywards Äußerungen vom Mai, die Auswirkungen der Ölpest auf die Umwelt seien „wahrscheinlich sehr, sehr mäßig“. Obama sagte dazu in dem Interview: „Er (Hayward) würde nach jeder dieser Bemerkungen nicht mehr für mich arbeiten.“ Der Präsident verteidigte sich zugleich gegen Kritik, dass er nach Beginn der Katastrophe nicht rasch und entschlossen genug gehandelt habe. Er wies darauf hin, dass er sich bereits drei Mal in der Krisenregion aufgehalten und bei Experten vor Ort – auch bei Fischern - Informationen eingeholt habe. „Ich sitze nicht einfach herum und unterhalte mich mit Experten, weil es sich um ein College-Seminar handelt“, sagte Obama. „Wir unterhalten uns mit diesen Leuten, weil sie möglicherweise die besten Antworten haben, so dass ich weiß, wen ich in den Hintern zu treten habe.“

Nach einem Bericht in der „Washington Post“ (Dienstagausgabe) haben interne Untersuchungen bei BP in den letzten zehn Jahren wiederholt Hinweise auf Verstöße gegen Sicherheits- und Umweltbestimmungen ergeben. Damit hätten leitende BP-Manager gewarnt sein müssen, dass das Risiko eines schweren Zwischenfalls besteht, wenn es bei derartigen Praktiken bleibt, stellen die Autoren von der unabhängigen Journalisten-Gruppe ProPublica fest. So habe es bei Ölbohrungen in Alaska eine ganze Reihe von Problemen gegeben: beispielsweise veraltete Ausrüstung, verkürzte oder verzögerte Inspektionen aus Kostengründen und Druck auf Beschäftigte, Mängel zu verschweigen.

Der Naturschutzbund (NABU) forderte anlässlich des internationalen Tages der Ozeane am Dienstag Konsequenzen aus der Ölpest und bezeichnete den Untergang der Bohrinsel als die schlimmste Ölkatastrophe in der Geschichte der Industrialisierung: Ein einzigartiges Ökosystem und die Lebensgrundlage von Zehntausenden Menschen seien zerstört. „Es ist an der Zeit, die Öl- und Gasindustrien stärker zu kontrollieren und unsere Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen drastisch zu verringern“, sagte NABU-Präsident Olaf Tschimpke. In Deutschland müssten endlich die „Spritfresser“ von der Straße kommen und erneuerbare Energien verstärkt genutzt werden. So könne auch auf die Erschließung „unkonventioneller Ölquellen“ wie die Tiefsee- Bohrungen von BP verzichtet werden. Nach Angaben des Naturschutzbundes wäre ein ähnliches Desaster wie das im Golf von Mexiko auch an der heimischen Küste denkbar: Hier bohrten Firmen mit gleicher Technik wie BP in über 1000 Meter Tiefe.