Mindestens 90 Prozent des auslaufenden Öls sollen durch die aufgesetzte Glocke abgesaugt werden. An der Börse will BP die Kursverluste stoppen.

Washington/London. Im Kampf gegen die Ölpest im Golf von Mexiko ist dem britischen Energiekonzern BP ein wichtiger Teilerfolg gelungen. Nachdem das Unternehmen ein beschädigtes Steigrohr an dem offenen Bohrloch kappen konnte, gelang es in der Nacht auf Freitag, eine Absaugglocke über dem Leck in rund 1500 Meter Tiefe zu platzieren. Ein BP-Manager nannte es als Ziel seines Unternehmens, mindestens 90 Prozent des auslaufenden Öls absaugen zu können. Um die Ergebnisse zu verbessern, müsse die nächsten Tage noch hart gearbeitet werden. „Es sollte klappen“, sagte der BP-Operationschef Doug Suttles dem Fernsehsender CNN.

Die US-Küstenwache sprach von einem weiteren Fortschritt. Es werde aber noch einige Zeit dauern, bis man beurteilen könne, ob die Methode funktioniere und in welchem Umfang damit der Ölausfluss eingedämmt werden könne. Es könne sich dabei aber nur um eine notdürftige Reparatur handeln. Die Arbeiten, das Leck vollständig abzudichten, müssten weiter mit aller Kraft vorangetrieben werden.

BP-Manager Doug Suttles sagte am Freitag in einem Fernseh-Interview, es sei gelungen, durch den Trichter Öl abzusaugen. Zur Menge konnte Suttles nichts sagen. Unklar blieb deshalb, ob das Bohrloch komplett abgedichtet wurde. Unterwasser-Aufnahmen deuteten darauf hin, dass aus der defekten Steigleitung weiterhin Öl an dem Trichter vorbei direkt ins Meer floss.

BP hatte zuvor erklärt, ein vollständig abgedichteter Öl-Absaugtrichter könnte bis Ende des Monats installiert werden. Das Unternehmen setzt mittelfristig vor allem auf Entlastungsbohrungen, die das Austreten des Öls stoppen sollen. Die Bohrplattform „Deepwater Horizon“ war am 20. April im Golf von Mexiko nach einer Explosion gesunken. Seitdem strömen aus einem Bohrloch jeden Tag bis zu drei Millionen Liter Öl ins Meer.

US-Präsident Barack Obama warf BP vor, nicht rasch genug auf die schwerste Ölkatastrophe in der US-Geschichte reagiert zu haben. Er sei sehr wütend über die Situation am Golf, sagte Obama in einem CNN-Interview. Da habe jemand nicht an die Konsequenzen seines Handelns gedacht. Obama will am Freitag erneut in das Katastrophengebiet reisen.

Seine Asienreise hat der US-Präsident dagegen abgesagt. Das teilte das Weiße Haus am Freitag mit. Obama wollte im Juni nach Indonesien und Australien reisen. Der Besuch solle später nachgeholt werden. Bereits im März hatte Obama den geplanten Asientrip erstmals verschoben, damals wegen des Ringens um die Gesundheitsreform. Obama ist wegen der anhaltenden Ölkatastrophe unter Druck. Kritiker werfen ihm vor, nicht entschlossen genug zu handeln.

Derweil will BP den massiven Kursverfall stoppen: Investoren und Analysten sollten per Telefonkonferenz besänftigt werden. BP-Chef Tony Hayward wollte am Freitagnachmittag über die wirtschaftliche Lage des Konzerns informieren, außerdem sollte es um den aktuellen Stand der Reparatur am Bohrloch im Golf von Mexiko gehen, wie eine Konzernsprecherin der Nachrichtenagentur dpa sagte.

Der Konzern hat seit der Explosion auf der Ölplattform „Deepwater Horizon“ am 20. April mit elf Toten deutlich an Wert verloren. Die BP-Aktie brach von ihrem damaligen Kurs von 655,40 Pence um ein Drittel auf rund 449 Pence ein. Die Talfahrt der Aktie beschleunigte sich in dieser Woche, nachdem die „Top Kill“ genannte Aktion zum Stopfen der sprudelnden Ölquelle am vergangenen Wochenende gescheitert war. Das Investorenbriefing wurde eilig angekündigt, nachdem die US- Ratingagenturen Fitch und Moody's die Kreditwürdigkeit des Unternehmens herabgestuft hatten. Fitch stufte BP von „AA+“ auf „AA“ herab. Konkurrent Moody's nahm seine Einstufung von „Aa1“ auf „Aa2“ zurück. Beide Ratingagenturen halten eine weitere Rückstufung angesichts drohender Milliardenkosten für möglich. Durch die Herabstufung wird es für BP schwieriger und teurer, sich Geld zu leihen. Der Ölmulti ist eines der weltweit profitabelsten Unternehmen. Er machte in den vergangenen Jahren Milliardengewinne. Im ersten Quartal 2010 steigerte BP seinen Überschuss um 138 Prozent auf 6,2 Milliarden Dollar (rund 4,6 Mrd Euro).

Wie viel BP für den Schaden letztlich zahlen muss, weiß derzeit niemand genau. Analysten der Schweizer Bank Credit Suisse rechnen mit Gesamtkosten von bis zu 37 Milliarden Dollar. So viel Gewinn machte der Konzern insgesamt in den vergangenen beiden Jahren. Die Telefonkonferenz sollte um 15.00 Uhr beginnen. Nach Haywards Vortrag sollte es eine Frage-Antwort-Runde geben. Ursprünglich war eine Videokonferenz geplant. BP versucht, einen Behälter über dem Leck in 1500 Meter Tiefe zu platzieren, um das Öl danach kontrolliert abzuleiten. Ob der Versuch erfolgreich war, sollte ebenfalls bei der Telefonkonferenz bekanntgegeben werden.

Da das Absägen eines Steigrohrs wegen technischer Probleme nicht sauber ausgeführt wurde, sei es nun schwieriger als geplant, die „Top Cap“ genannte Kappe lückenlos auf das Rohr zu stülpen, räumte Hayward bereits ein. Diverse Anläufe, die schwerste Ölkatastrophe in der US- Geschichte in den Griff zu bekommen, waren schon gescheitert.

US-Präsident Barack Obama reiste erneut in das Krisengebiet. Die US-Regierung schickte BP derweil eine erste Rechnung über 69 Millionen Dollar (rund 57 Millionen Euro) für die Reinigung der mit Öl verschmutzen Strände.