Bis zu zwei Mal so viel Öl wie bislang vermutet läuft aus dem Bohrloch im Golf von Mexiko. Obama bestellte den BP-Vorstand zum Gespräch.

Houston. Aus dem Bohrloch im Golf von Mexiko läuft nach jüngsten Angaben von Experten bis zu zwei Mal so viel Öl aus wie bislang vermutet. Demnach wären inzwischen 160 Millionen bis 380 Millionen Liter Öl in die Gewässer vor der Südküste der USA geströmt. Wissenschaftler legten die neuen Zahlen nach Konsultationen mit der Regierung am Donnerstag vor. Es war bereits das dritte Mal seit Beginn der Ölkatastrophe im April, dass die Schätzungen nach oben korrigiert wurden.

Inzwischen gehen die meisten Schätzungen von einer Menge austretenden Öls aus, die pro Stunde höher ist als anfänglich für einen gesamten Tag angenommen wurde. Täglich traten demnach bis zu acht Millionen Liter aus, wie die Direktorin des Geologischen Dienstes, Marcia McNutt, sagte. Sie koordiniert die unterschiedlichen Schätzungen der Experten. Die Angaben gelten für den Austritt vor dem 3. Juni, als ein beschädigtes Steigrohr abgesägt und ein Absaug-Trichter über die defekte Bohrleitung gestülpt wurde. Nach dem Absägen trat nach Angaben des Konzerns BP bis zu 20 Prozent mehr Öl aus, über den Trichter wurden bislang mehr als elf Millionen Liter abgesaugt.

„Das ist ein Alptraum, der jede Woche schlimmer wird“, sagte Michael Brune, Direktor des Sierra Clubs. „Wir können den Schätzungen von BP über die Menge des austretenden Öls ganz offensichtlich nicht trauen.“ Die Schätzungen sind noch immer nicht endgültig, das Ozeanografische Institut Woods Hole etwa nannte noch höhere Zahlen: Zwischen 3,8 Millionen und acht Millionen Liter Öl träten demnach täglich aus - insgesamt somit bislang fast 400 Millionen Liter. Andere Experten sprechen von rund 240 Millionen Litern. Nach der Havarie der „Exxon Valdez“ 1989 vor Alaska, der bisher schwersten Ölkatastrophe in US-Gewässern, strömten insgesamt 41 Millionen Liter Öl ins Meer, so viel wie den Schätzungen zufolge derzeit im Golf von Mexiko alle fünf bis 13 Tage.

US-Präsident Barack Obama versicherte unterdessen den Hinterbliebenen der elf Arbeiter, die bei der Explosion auf der Ölbohrplattform „Deepwater Horizon“ getötet wurden, seine Unterstützung. Er empfing die Familien am Donnerstag im Weißen Haus, und Keith Jones, dessen Sohn am 20. April ums Leben kam, erklärte danach: „Er sagte uns, dass wir nicht vergessen werden.“ Das Treffen mit den Hinterbliebenen erfolgte am 51. Tag nach der Katastrophe. Zuvor informierte Obama die Führung des Kongresses über die Maßnahmen zur Bekämpfung der Ölpest. Zudem ließ er die Verantwortlichen des Ölkonzerns BP für kommenden Mittwoch zu Gesprächen über die Bekämpfung der Ölpest ins Weiße Haus bestellen. Ein entsprechendes Einladungsschreiben habe der Chef der US-Küstenwache, Admiral Thad Allen, an den BP-Vorsitzenden Carl-Henric Svanberg geschickt, hieß es am Donnerstag in Washington.

Der US-Kongress stellte der Küstenwacht unterdessen mehr Geld für die Beseitigung der Ölpest zur Verfügung. Ein Gesetz, das die bisherige Obergrenze von hundert Millionen Dollar aufhebt, die die Küstenwacht aus einem Regierungsfonds nutzen konnte, wurde am Donnerstag an Obama weitergeleitet. Ansonsten wäre der Küstenwacht in der kommenden Woche das Geld ausgegangen, erklärte der Abgeordnete James Oberstar, der Vorsitzende des Verkehrsausschusses des Repräsentantenhauses. BP gewährte dem Staat Florida eine Beihilfe in Höhe von 25 Millionen Dollar (21 Millionen Euro) zur Unterstützung von dessen Krisenmaßnahmen. Zuvor habe der Staat bereits dieselbe Summe für Pläne zur Bewältigung der Krise und weitere 25 Millionen zur Unterstützung der Tourismusindustrie erhalten, erklärte BP am Donnerstagabend.