Berlin. Autobahnen, Energie, Mieten: Die Koalition schleppt viele ungelöste Konflikte mit sich herum. Der Entscheidungsdruck wird immer größer.

Persönlich, so ist von Ampel-Vertretern immer wieder zu hören, verstehe man sich sehr gut. Inhaltlich liegen die Koalitionspartner aber bei einer ganzen Reihe von Themen weit auseinander. Nach der für sie enttäuschenden Wahl in Berlin will die FDP deutlicher Spuren in den Beschlüssen der Koalition hinterlassen.

SPD und Grüne hoffen, dass dies die Zusammenarbeit in der Regierung nicht erschwert. „Zentral ist, dass wir das Gemeinsame und nicht das Trennende betonen“, sagt SPD-Parlamentsgeschäftsführerin Katja Mast dieser Redaktion. „Wir wissen voneinander, wo unsere Schmerzgrenzen liegen.“ Ein Überblick.

Autobahnen und Brücken: Die Ampel hat sich vorgenommen, Infrastrukturprojekte deutlich zu beschleunigen. Bislang dauert es viele Jahre, mitunter sogar Jahrzehnte, bis eine neue Bahnlinie, eine Stromtrasse oder eine Fernstraße gebaut oder eine Brücke saniert werden kann. Die Koalition ist sich einig, dass alles, was mit Klimaschutz zu tun hat, schneller realisiert werden muss.

Die Projekte sollen als Vorhaben im „überragenden öffentlichen Interesse“ eingestuft werden – so wie das etwa beim Aufbau der Flüssiggas-Terminals der Fall war. Die FDP will auch Autobahn-Neubauprojekte beschleunigen – was die Grünen mit Verweis auf den Klimaschutz ablehnen.

Ein Treffen des Koalitionsausschusses zu dieser Frage Ende Januar blieb ohne Ergebnis. Jetzt versuchen die Bündnispartner, hinter den Kulissen zu einer Lösung zu kommen. FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai sagt mit Blick auf die Grünen: „Wir müssen ganz klar machen gegenüber unseren Koalitionspartnern, dass Blockadepolitik zum Schaden dieses Landes mit uns nicht zu machen ist.“ SPD-Fraktionsmanagerin Mast sagt: „Auch bei der Planungsbeschleunigung sollten wir weiter pragmatisch und zukunftsorientiert vorgehen.“

Atomkraft: Eigentlich sollten alle drei verbliebenen Atomkraftwerke Ende 2022 vom Netz gehen. Angesichts der Energiekrise stellte sich aber die Frage nach einer befristeten Laufzeitverlängerung. Die FDP war dafür, die Grünen dagegen, es ging hoch her.

Ampel: Welchen Wert hat das Machtwort des Kanzlers?

Kanzler Olaf Scholz (SPD) sprach schließlich im Oktober ein Machtwort und legte fest, dass die Meiler bis längstens Mitte April 2023 am Netz bleiben sollen. Danach soll definitiv Schluss sein. Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) und FDP-Chef Christian Lindner fügten sich.

Es ist aber damit zu rechnen, dass die Liberalen das Thema wieder auf die Agenda bringen werden. Auch die Union ist für einen Weiterbetrieb, und zwar bis mindestens Ende 2024. Die Grünen sind strikt gegen einen Weiterbetrieb. Auch in der Energiebranche gibt es wenig Neigung, die Kraftwerke weiter laufen zu lassen. „In der gesamten europäischen Energieversorgung machen die gut vier Gigawatt Leistung der drei letzten deutschen Kernkraftwerke keinen Unterschied“, sagte unlängst der Chef des Essener Stromkonzerns RWE, Markus Krebber.

Mieterschutz: Warten auf Buschmann, so sehen Grünen und der SPD die Lage beim Thema Mieten. Im Koalitionsvertrag hatten sich die drei Parteien darauf verständigt, den Mieterschutz zu verbessern. Dazu gehört etwa eine Verlängerung der bis 2025 befristeten Mietpreisbremse bis ins Jahr 2029.

Zudem will die Koalition in Regionen mit angespanntem Wohnungsmarkt den erlaubten Mietanstieg auf elf Prozent in drei Jahren begrenzen. Zuständig ist Justizminister Marco Buschmann (FDP), der bisher aber noch keine Pläne zur Umsetzung der Vorhaben vorgelegt hat. Grüne und SPD werden daher ungeduldig.

Verschärfend kommt hinzu, dass die beiden Koalitionspartner Mietern mit an die Inflation gekoppelten Mietverträgen helfen wollen. Hier sieht Buschmann bislang aber keinen Handlungsbedarf, wie er unlängst im Gespräch mit unserer Redaktion deutlich machte.

Koalition: Ausländer sollen Fachkräftelücke schließen

Migration und Staatsbürgerschaft. Die Ampel will Deutschland zu einem modernen Einwanderungsland machen. Hintergrund ist der immense Fachkräftemangel, der sich in den kommenden Jahren noch einmal deutlich verschärfen dürfte. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sagt, die Fachkräftesicherung gehöre zu den „dringlichsten Aufgaben“ der Koalition. Dabei geht es nicht nur um Zuwanderung, sondern auch darum, einheimische Potenziale zu heben – etwa durch eine höhere Erwerbsbeteiligung von Frauen.

Im Zusammenhang mit der verstärkten Öffnung des Landes für ausländische Arbeitnehmer will die Ampel auch das Staatsbürgerschaftsrecht reformieren und den Zugang zum deutschen Pass erleichtern. Die FDP hatte hier zuletzt aber auf die Bremse getreten und argumentiert, dass nicht alles gleichzeitig, sondern eines nach dem anderen geschehen solle.

Rente und Soziales. Die FDP unter Parteichef und Finanzminister Lindner treibt eines ihrer Lieblingsprojekte voran: Sie will die Kapitalmärkte verstärkt für die Alterssicherung in Deutschland nutzen. Lindner hat ein Konzept für das so genannte „Generationenkapital“ entwickelt. In diesem Jahr sollen zehn Milliarden Euro aus dem Bundeshaushalt in einen unabhängig verwalteten Fonds fließen. Ab Ende der 2030er Jahre könnten die Erträge einen Beitrag dazu leisten, die gesetzliche Rente bezahlbar zu halten.

SPD und Grüne tragen das Konzept mit. Strittig ist aber, ob auch in Zukunft regelmäßige Zahlungen in dieser Größenordnung in den Fonds gehen sollen. Lindner möchte dorthin am liebsten auch Beitragsgeld lenken, wogegen sich die SPD sperrt. Das Konzept des Ministers befindet sich in der Ressortabstimmung. Parallel dazu arbeitet Arbeitsminister Heil an Vorschlägen, um das Rentenniveau dauerhaft bei mindestens 48 Prozent zu sichern. Auch hier lauert jede Menge Konfliktstoff.