Nach den Gewaltexzessen fordert US-Präsident Obama Sanktionen. Vor einem militärischen Eingreifen schreckt der Westen zurück – noch.

Tripolis/Washington. Der Westen stakst vorsichtig über diplomatisches Parkett, während das Morden in Libyen weitergeht. Ausländische Söldner und bewaffnete Anhänger von Staatschef Muammar al-Gaddafi sind wieder mit äußerster Brutalität gegen Aufständische vorgegangen. In der Stadt Sawija verübten sie ein Massaker in einer Moschee, bei dem nach Angaben von Ärzten mindestens zehn Menschen getötet und rund 150 weitere verletzt wurden. Um die noch bis zu 6000 Europäer aus Libyen herauszuholen, schließt die EU einen militärischen Einsatz nicht länger aus. Das sei „eine der Möglichkeiten“, die im Zuge eines Notfallplans erwogen würden, hieß es beim Europäischen Auswärtigen Dienst. Derzeit sei man aber noch weit von davon entfernt. Unter den Mitgliedstaaten gebe es aktuell keine Diskussion über einen etwaigen Militäreinsatz, verlautete aus Diplomatenkreisen.

Die USA haben sich in der Nacht zum Freitag für Sanktionen gegen Libyen ausgesprochen. Nach Angaben aus Regierungskreisen will sich das Land zudem für eine von den Vereinten Nationen geleitete Untersuchung der „schwerwiegenden und systematischen Verstöße gegen die Menschenrechte durch die libyschen Behörden“ einsetzen. Um das weitere Vorgehen zu besprechen, telefonierte Präsident Barack Obama mit dem britischen Premierminister David Cameron und dem französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy. Worüber im Einzelnen gesprochen wurde, war zunächst nicht bekannt.

Auch der deutsche Außenminister Guido Westerwelle (FDP) hat sich erneut für Sanktionen gegen Libyen ausgesprochen. „Ich denke, Sanktionen sind unvermeidbar“, sagte Westerwelle im Deutschlandfunk. Es gehe nicht mehr darum, Zeitlimits zu setzen, sondern „jetzt zu handeln“. Als mögliche Sanktionen nannte er Einreisesperren für die Familie von Staatschef Muammar al-Gaddafi sowie das Einfrieren von Vermögen. Wirtschaftliche Sanktionen lehnte der Außenminister vorerst ab. Es sei zu früh, darüber zu reden, sagte er. „Wir wollen die Herrscherfamilie treffen, nicht das Volk.“

Nach der Schweiz könnte auch Großbritannien laut einem Medienbericht bald Vermögen des libyschen Machthabers Gaddafi in Milliardenhöhe sperren. Die britischen Finanzbehörden hätten eine Einheit gebildet, um Gaddafis Vermögen in Großbritannien aufzuspüren, berichtete die Tageszeitung „Telegraph“ am Freitag. Gaddafi habe möglicherweise Vermögen im Wert von 20 Milliarden Pfund (23,5 Milliarden Euro) in Großbritannien gelagert. Es solle „innerhalb von Tagen“ gesperrt werden. Unter den Vermögenswerten sollen sich laut „Telegraph“ Konten, Gewerbeimmobilien und ein Haus in London im Wert von umgerechnet 11,6 Millionen Euro befinden.

Am Donnerstag hatte das Schweizer Außenministerium mitgeteilt, mit sofortiger Wirkung sämtliche möglichen Vermögen Gaddafis und seines Umfelds im Land zu sperren. Damit solle „jedes Risiko einer Veruntreuung von staatlichem libyschem Eigentum“ vermieden werden. Die Maßnahme gelte ab sofort und habe eine Dauer von drei Jahren, hieß es in einer Erklärung des Ministeriums.

Der Ölpreis ist am Donnerstag erstmals seit neun Tagen wieder gefallen. Damit reagierten die Märkte auf eine Einschätzung der Internationalen Energieagentur (IEA), nach der trotz der blutigen Unruhen in Libyen keine Engpässe in der Versorgung zu befürchten seien. Die bisherigen Produktionsausfälle machen demnach nur rund einen Prozent des täglichen globalen Verbrauchs aus. Die IEA steht nach eigenen Angaben in engem Kontakt mit der Organisation der Erdöl exportierenden Länder (OPEC). Dessen wichtigstes Mitglied Saudi-Arabien habe versichert, dass jeder durch die Unruhen in Libyen bedingte Ausfall, falls notwendig, durch eine Erhöhung der eigenen Produktion wettgemacht werden könne.

Mit Material von dpa/rtr/AFP