Ist Muammar al-Gaddafi auf der Flucht? Lufthansa holt Deutsche aus Libyen zurück. Westerwelle: Wir können beim Morden nicht zusehen.

Tripolis/Frankfurt. Der libysche Revolutionsführer und Staatschef Muammar al-Gaddafi hat mit seinem skurrilen Fernsehauftritt Verwirrung gestiftet – und nun fragt sich die Welt, ob er entgegen seinen Beteuerungen nicht doch schon aus Libyen geflüchtet ist. Denn die libanesischen Behörden haben einem libyschen Privatjet mit zehn nicht identifizierten Personen an Bord die Landeerlaubnis verweigert. Wie Flughafensprecher in Beirut erklärten, hatten die Libyer in der Nacht zum Dienstag kurz vor dem Start der Maschine angefragt. Da sie sich aber geweigert hätten, die Namen der Passagiere zu nennen, sei die Erlaubnis nicht erteilt worden. Deshalb sei der Privatjet umgeleitet worden und vermutlich nach Syrien oder Zypern geflogen.

Derweil holt die Lufthansa mit einer Sondermaschine Deutsche aus Libyen zurück. Der Airbus A340-600 könne rund 300 Passagiere mit nach Frankfurt bringen, sagte Lufthansa-Sprecher Thomas Jachnow. Die Maschine, die am 11.35 Uhr nach Tripolis starten sollte, wird gegen 19.15 Uhr in Frankfurt zurückerwartet. Normalerweise setzt die Lufthansa auf der Strecke einen A320 ein, der nur rund 180 Passagieren Platz bietet.

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Außenminister Guido Westerwelle (FDP) hatte die Evakuierung deutscher Staatsangehöriger aus Libyen angekündigt. „Es sollen alle raus und wir helfen dabei“, sagte er im ZDF. Es seien logistische Vorbereitungen getroffen worden. Über Details wollte sich Westerwelle nicht äußern. Das Auswärtige Amt habe eine Reisewarnung der höchsten und schärfsten Stufe ausgegeben.

Westerwelle sprach sich offen für einen demokratischen Wandel in Libyen aus. „Wenn man sich in die Sache der Menschenrechte einmischt, ist das keine Einmischung in die innere Angelegenheit, sondern das ist unsere verdammte Pflicht. Wir können ja nicht zusehen, dass Menschen ermordet werden.“ Die Bundesregierung sei in dieser Frage ganz klar aufgestellt. „Völlig klar ist für uns als Demokraten, dass wir nicht einfach sprachlos zusehen, wenn andere Demokraten um ihr Leben fürchten müssen oder es ihnen sogar genommen wird“, sagte Westerwelle.

Für Westerwelle steht die libysche Führung um Gaddafi vor dem Aus. „Eine Herrscherfamilie, die das eigene Volk mit Bürgerkrieg bedroht, die ist am Ende.“ Die Bundesregierung setze darauf, dass der Funke, der mit der Revolution in Tunesien gezündet worden sei, auch in anderen Ländern eine Chance bekomme.

Die Hochkommissarin der Vereinten Nationen für Menschenrechte (UNHCHR), Navi Pillay, hat eine internationale Untersuchung zum gewaltsamen Vorgehen der Sicherheitskräfte gegen Demonstranten in Libyen gefordert. Ausgedehnte und systematische Angriffe gegen die Zivilbevölkerung „könnten Verbrechen gegen die Menschlichkeit bedeuten“, erklärte Pillay in Genf.

Sie verurteilte die „Gefühllosigkeit“, mit der die Behörden mit scharfer Munition gegen friedliche Demonstranten vorgegangen seien. Zugleich rief sie die internationale Gemeinschaft dazu auf, die Gewalt in Libyen zu missbilligen und ein eindeutiges Bekenntnis abzugeben, um sicherzustellen, dass „den Tausenden Opfern dieser Unterdrückung“ Gerechtigkeit widerfahre.

In einigen Vierteln von Tripolis kehrte am Dienstag wieder Ruhe ein. „Wir fühlen uns jetzt wieder sicherer. Das Geschehen hat sich weiter weg verlagert“, sagte ein Wachmann, der im Al-Andalus-Viertel arbeitet, in dem auch einige internationale Firmen ihren Sitz haben. Zum Teil waren die Bewohner der Hauptstadt telefonisch zu erreichen. Mobiltelefone funktionierten jedoch zumeist nicht.

Auf dem Flughafen der libyschen Stadt Bengasi, wo wegen der Unruhen zahlreiche Ausländer festsitzen, können keine Maschinen mehr landen. Der ägyptische Außenminister Ahmed Abul Gheit sagte nach Angaben des Nachrichtensenders al-Arabija, die Landebahn sei stark beschädigt. Unklar blieb, wer die Landebahn zerstört hat – die libysche Armee oder Aufständische, die den Truppen dadurch die Nachschubwege abschneiden wollen. Ägypten hatte geplant, ein Flugzeug nach Bengasi zu schicken, um ägyptische Gastarbeiter dort abzuholen. (dpa/rtr/dapd)