Angesichts militärischen Erfolgs geht Gaddafis Regierung nicht auf die Rebellen ein. Bei Luftangriffen der Nato offenbar Rebellen getötet.

Tripolis/Bengasi. Nato-Flugzeuge haben bei Angriffen in Libyen in der Nacht zum Sonnabend nach unbestätigten Berichten offenbar erstmals auch Milizen der Regimegegner angegriffen. 13 Aufständische seien bei dem Bombardement zwischen Adschdabija und Al-Brega getötet worden, erfuhr ein dpa-Korrespondent in Bengasi aus Kreisen der Rebellen-Milizen. Die näheren Umstände waren zunächst nicht bekannt. Der Nato-Einsatz soll die Zivilbevölkerung im Libyen schützen. Diese ist jedoch nach weitläufiger Ansicht nicht durch die Regimegegner, sondern durch die Truppen des Diktators Muammar al-Gaddafi bedroht.

Dessen Regierung lehnte ein Angebot der Rebellen zur Waffenruhe ab. Ein libyscher Regierungssprecher wies die Offerte der Aufständischen als „verrückt“ zurück. Mussa Ibrahim sagte am Freitag, Gaddafis Truppen würden dort bleiben, wo sie sind. Die Rebellen verlangten, dass sich die Soldaten Gaddafis aus „unseren eigenen Städte zurückziehen. ... Wenn das nicht verrückt ist, dann weiß ich nicht, was es ist. Wir werden unsere Städten nicht verlassen“, sagte Ibrahim im Fernsehen.

Nach militärischen Misserfolgen haben die Aufständischen einen Waffenstillstand angeboten. „Unsere Bedingung für einen Waffenstillstand ist, dass die Truppen von Gaddafi sofort aus den Städten abziehen, und dass sie die Blockade von Städten wie Misurata beenden“, sagte der Vorsitzende des libyschen Übergangsrates, Mustafa Abdul Dschalil, am Freitag in Bengasi. Außerdem sollten Gaddafi und seine Familie das Land verlassen. Von der internationalen Staatengemeinschaft verlangte Dschalil Waffen für den Aufstand.

Den Rebellen am Rande der Stadt Adschdabija gelang es am Freitag nicht, die Gaddafi-Truppen zurückzudrängen, wie ein BBC-Reporter aus der Region berichtete. Am Vortag war bereits der Vorstoß gescheitert, den am Mittwoch verlorenen Ölhafen Al-Brega zurückzuerobern. In der Nähe von Al-Brega und Misurata im Westen tobten am Freitag heftige Gefechte.

Das Heer Gaddafis sei gemessen an der Truppenstärke und Ausrüstung ungefähr zehnmal so schlagkräftig wie die Aufständischen, sagte US-Generalstabschef Mike Mullen am Donnerstag (Ortszeit) in Washington vor dem Streitkräfte-Ausschuss des Abgeordnetenhauses. US-Verteidigungsminister Robert Gates betonte, er sei gegen Waffenlieferungen an die Rebellen: „Das ist etwas, was eine Menge anderer Staaten tun könnte.“

Die Rebellen räumten ihre Schwäche selbst ein: Ohne entsprechende Militärhilfe sei es sehr schwer, den Gaddafi-Truppen Einhalt zu gebieten, sagte Dschalil in Bengasi bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit dem UN-Gesandten Abdelillah al-Chatieb.

Am Freitag verstärkten die Milizen der Regimegegner ihre Verteidigungslinie westlich von Adschdabija. Zudem würden nur noch „erfahrene Kämpfer“ an die Front gelassen, berichtete ein Reporter des Fernsehsenders Al-Dschasira aus Bengasi. Die Verluste der letzten Tage waren auch auf den niedrigen Organisationsgrad und die militärische Unerfahrenheit der Freiwilligen zurückzuführen.

Trotz der Rückschläge für die Rebellen scheint die Unterstützung für Gaddafi zu schwinden. Der Machthaber soll allen Regierungsmitgliedern und hochrangigen Beamten die Ausreise verboten haben. Außer dem nach Großbritannien geflohenen Außenminister Mussa Kussa wollten sich noch weitere ranghohe Funktionäre absetzen, berichtete die arabische Tageszeitung „Al-Sharq al-Awsat“. Darunter seien der Parlamentspräsident und Ministerpräsident Al-Baghdadi Al- Mahmudi.

Die EU will unterdessen einige tausend Flüchtlinge aus Nordafrika auf die 27 Mitgliedsstaaten verteilen. Das sagte EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström in Brüssel. Dabei geht es vor allem um Flüchtlinge aus Libyen, die selbst keinen libyschen Pass haben. Sie könnten wegen Bürgerkriegen oder anderen Gefahren nicht in ihre Heimatländer zurückgeschickt werden, sagte Malmström. „Wir reden von einigen tausend Menschen aus Somalia, Eritrea und Sudan.“

Vorsorglich beschloss die EU am Freitag einen Militäreinsatz zur Unterstützung humanitärer Hilfe in Libyen. Wie der EU-Ministerrat am Freitag in Brüssel mitteilte, müsse aber für den Einsatz mit dem Code-Namen „Eufor Libya“ eine Anfrage der Vereinten Nationen (UN) vorliegen. Dies sei bisher nicht der Fall. Unterdessen soll es in London Geheimgespräche gegeben haben, wie die BBCberichtete. Mohammed Ismail, ein Vertrauter von Gaddafi-Sohn Saif al-Islam, sei inzwischen wieder nach Tripolis zurückgekehrt, berichtete der Sender am Freitag. Bei den Gesprächen sei es möglicherweise um ein Ausstiegsszenario für Gaddafi gegangen. Gaddafi selbst forderte am Donnerstagabend den Rücktritt sämtlicher Staatschefs der Länder, die sich am Militäreinsatz in Libyen beteiligen.

Die Ereignisse vom Freitag, 1. April:

15.25 Uhr: Für das von ihnen kontrollierte Öl wird die libysche Opposition nach eigenem Bekunden vom Golfemirat Katar Geld für den Kauf von Waffen erhalten. Katar habe zugestimmt, das derzeit in Depots im Südosten Libyens lagernde Öl zu vermarkten, sagte Ali Tarhuni. Tarhuni ist beim Nationalen Übergangsrat der Opposition für die Finanzen zuständig. Er sagte nicht, wann der Vertrag unterzeichnet wurde und wann die Öllieferungen beginnen sollen. Ein Stolperstein in den Verhandlungen sei die Frage, wie das Öl aus dem Land transportiert wird.

14.08 Uhr: Die libyschen Rebellen haben ihre Bedingungen für einen Waffenstillstand genannt. Die Soldaten von Staatschef Gaddafi müssten sich aus allen Städten zurückziehen und friedliche Proteste zulassen, erklärte ein Oppositionsführer, Mustafa Abdul Dschalil, auf einer Pressekonferenz mit dem Uno-Sondergesandten Abdelilah al-Chatib in Bengasi. Abdul Dschalil erklärte weiter, dem libyschen Volk müsse die Möglichkeit gegeben werden, über sein Schicksal selbst zu entscheiden. Dann werde die Welt sehen, dass es die Freiheit wähle.

13.53 Uhr: Vor der Gewalt in Libyen sind nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration inzwischen mehr als 400.000 Menschen geflohen . Die meisten von ihnen seien nach Tunesien und Ägypten gelangt, hieß es in Genf. Innerhalb des Bürgerkriegslandes steckten weitere Zehntausende fluchtbereite Menschen fest. Allein in der Stadt Sabha im Zentrum Libyens warteten 34.000 verzweifelte Menschen auf ihre Ausreise. Sie hätten keine Transportmöglichkeiten, um sich außer Landes zu bringen, erklärte die Organisation für Migration. Zudem fehle es ihnen an Lebensmitteln und Wasser.

13.21 Uhr: Durch Luftschläge der Nato in Libyen sind offenbar weitere Zivilisten ums Leben gekommen . In der Nacht zu Freitag seien in Sirte acht Frauen und Kinder getötet worden, sagte Bischof Giovanni Martinelli in Tripolis dem italienischen Pressedienst SIR. Zudem seien den Bombardements 40 Armeeangehörige zum Opfer gefallen. Der Apostolische Vikar berief sich auf Krankenhausangaben. Der Bischof forderte einen umgehenden Waffenstillstand . Eine „chirurgische Kriegsführung“ ohne zivile Opfer sei „unmöglich“, sagte er. In Sirte seien die Militärstützpunkte über das ganze Stadtgebiet verteilt.

13.07 Uhr: Der sizilianische Bischof Domenico Mogavero hat eine Vermittlung des Vatikan im Libyenkonflikt vorgeschlagen. Da Gaddafi politisch völlig isoliert sei und die Luftschläge ihn offenbar nicht zum Einlenken bewegten, wäre eine überparteiliche Instanz wie der Heilige Stuhl gefragt, sagte er im italienischen Fernsehen RAI.

13.01 Uhr: Das schwedische Parlament hat mit großer Mehrheit die Entsendung von acht Kampfjets für den Nato-geführten Einsatz in Libyen bewilligt. Der Reichstag stimmte mit 240 gegen 18 Stimmen für die Libyen-Mission, fünf Abgeordnete enthielten sich. Es ist der erste Auslandseinsatz der schwedischen Luftwaffe seit 48 Jahren . Die Kampfjets dürfen sich jedoch nur an der Überwachung der Flugverbotszone beteiligen und nicht zu Angriffen auf Ziele am Boden eingesetzt werden. Dies hatte die linke Opposition zur Bedingung für die Zustimmung zu dem Einsatz gemacht.

12.52 Uhr: Im libyschen Bürgerkrieg stehen sich Rebellen und regimetreue Truppen von Gaddafi in einem Patt gegenüber. Den Rebellen am Rande der Stadt Adschdabija gelang es bislang nicht, die Gaddafi-Truppen zurückzudrängen, wie ein BBC-Reporter aus der Region berichtete. Am Donnerstag war bereits der Vorstoß gescheitert, den am Mittwoch verlorenen Ölhafen Brega zurückzuerobern. Nach Einschätzung der US-Regierung sind die Gaddafi-Truppen den Rebellen trotz des internationalen Militäreinsatzes klar überlegen. Dennoch desertieren immer mehr politische Gefolgsleute von Gaddafi. Das Heer Gaddafis sei gemessen an der Truppenstärke und Ausrüstung ungefähr zehnmal so schlagkräftig wie die Aufständischen, sagte US-Generalstabschef Mike Mullen vor dem Streitkräfte-Ausschuss des Abgeordnetenhauses. Gaddafi würde „so viele (Menschen) töten, wie er müsse, um die Rebellion niederzuschlagen“.

10.14 Uhr: Ein Gaddafi-Gesandter hat nach Informationen der BBC in London mit Vertretern der britischen Regierung verhandelt. Mohammed Ismail, ein Vertrauter von Gaddafi-Sohn Saif al-Islam, sei inzwischen wieder nach Tripolis zurückgekehrt, berichtete der Sender. Bei den Gesprächen sei es möglicherweise um ein Ausstiegsszenario für Gaddafi gegangen. Das britische Außenministerium erklärte anschließend, die Regierung liefere nicht ständig Kommentare über ihre Kontakte zu libyschen Offiziellen ab. Allen Kontaktleuten werde aber unmissverständlich mitgeteilt, dass Gaddafi gehen müsse.

10.02 Uhr: Bundesaußenminister Guido Westerwelle hat eine politische Lösung des Libyen-Konflikts angemahnt. Der politische Prozess müsse auf den Weg gebracht werden, forderte der FDP-Chef während seines China-Besuches in Peking. Voraussetzung sei, dass Machthaber Gaddafi einem Waffenstillstand zustimme. Westerwelle bekräftigte, eine militärische Lösung könne es nicht geben.

9.22 Uhr: Gaddafi soll allen Regierungsmitgliedern und hochrangigen Beamten verboten haben, das Land zu verlassen. Das berichtete die Zeitung „Al-Sharq al-Awsat“ unter Berufung auf „offizielle Quellen in Tripolis“. Nach Informationen der arabischen Tageszeitung wollen sich außer dem nach Großbritannien geflohenen Außenminister Mussa Kussa noch weitere ranghohe Funktionäre absetzen, darunter der Parlamentspräsident und Ministerpräsident Al-Baghdadi Al-Mahmudi. Aus Tunis hieß es, eine größere Delegation libyscher Regierungsbeamter sei bereits vor zwei Wochen in Tunesien angekommen. Es sei jedoch nicht klar, wo sich diese aktuell aufhielten.

8.58 Uhr: Die USA fliegen ab Sonntag keine Kampfeinsätze in Libyen mehr. Das kündigte US-Generalstabschef Admiral Mike Mullen vor dem Kongress in Washington an. Die USA wollten sich danach auf eine rein unterstützende Rolle beschränken und nur auf Bitten der Nato-Führung wieder Angriffe in Libyen auf Einheiten von Machthaber Gaddafi fliegen. Dies müssten ansonsten Frankreich, Großbritannien und andere Nato-Mitglieder übernehmen, erklärte Mullen. Die Entscheidung der Regierung von Präsident Barack Obama stieß im Kongress umgehend auf Kritik.

8.17 Uhr: Der chinesische Außenminister Jang Jiechi hat sich besorgt über die internationalen Militäraktionen in Libyen geäußert. Die ursprüngliche Intention der Libyen-Resolution im Weltsicherheitsrat sei ein Ende der Gewalt und der Schutz von Zivilisten gewesen, sagte Yang nach einem Gespräch mit Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) in Peking. Jetzt höre man aber täglich Berichte über verletzte und getötete Zivilisten. Es sehe so aus, als führe der Militäreinsatz zur Eskalation.

7.08 Uhr: Der libysche Machthaber Muammar al-Gaddafi mag nicht mehr hören, dass ihn alle Welt immer wieder zum Rücktritt auffordert. Er forderte seinerseits den Rücktritt der Staatschef aller Länder , die sich an der militärischen Allianz zum Schutz der libyschen Zivilbevölkerung beteiligen. Gaddafi sagte der staatlichen Nachrichtenagentur Jana, die Luftangriffe in Libyen seien eine Neuauflage der Kreuzzüge, „ein Kampf zwischen Muslimen und Christen“ auf beiden Seiten des Mittelmeeres. Dass sich inzwischen auch Staaten mit muslimischer Bevölkerungsmehrheit der Allianz angeschlossen haben, verschwieg er.

6.36 Uhr: Großbritannien hat einem Zeitungsbericht zufolge Gespräche mit einem ranghohen libyschen Vertreter über eine mögliche Exil-Strategie für Gaddafi geführt. Wie die Zeitung „Guardian“ berichtet, handelte es sich bei dem libyschen Gesandten um den Berater von Gaddafis Sohn Seif al-Islam, Mohammed Ismail. Das britische Außenamt wollte zu dem Zeitungsbericht nichts sagen. Das Blatt berichtete unter Berufung auf eine Quelle im Ministerium, dass es in den vergangenen zwei Wochen mehrere Treffen zwischen Vertretern beider Länder gegeben habe.

6.29 Uhr: Die USA sollten nach Auffassung von Verteidigungsminister Robert Gates ihre Beziehungen zu den Aufständischen in Libyen vorerst nicht weiter ausbauen . Er sei zum gegenwärtigen Zeitpunkt gegen die Ausbildung und Bewaffnung der Rebellen, sagte Gates vor dem US-Kongress. Bislang lägen noch zu wenig Informationen über die Aufständischen und ihre Ziele vor. „Die nächste Frage wird sein, welche Unterstützung wir der Opposition abseits von Waffenlieferungen anbieten können“, sagte Gates. Sollten sich andere Staaten für die Bewaffnung der Rebellen entscheiden, müssten sie diesen Schritt selbst gehen, sagte der US-Verteidigungsminister.

6.22 Uhr: Die Vereinten Nationen zeigen sich besorgt über die humanitäre Lage in Libyen. Uno-Flüchtlingskommissar António Guterres bezeichnete die Lage in dem nordafrikanischen Land während eines Besuchs in der ägyptischen Hauptstadt Kairo als „dramatisch“. Rund 400.000 Menschen seien vor den Kämpfen nach Tunesien oder Ägypten geflohen. Zudem gebe es viele Menschen, die in Libyen auf der Flucht seien. Die Binnen-Flüchtlinge seien zwischen den Linien der Regierungstruppen und der Rebellen in einer „verzweifelten Lage“, sagte Guterres. Es sei „absolut notwendig“, dass die humanitäre Hilfe diese Menschen unverzüglich erreiche.

6.15 Uhr: Mehrere Personen aus dem engen Umfeld Gaddafis sind einem Fernsehbericht zufolge nach Tunesien geflüchtet . Al-Dschasira berichtete unter Berufung auf ungenannte Quellen, dass etwa der Chef des Auslandsgeheimdienstes und ein hochrangiger Diplomat das Land verlassen hätten. Der Chef der nationalen Ölgesellschaft, Schokri Ghanem, der ebenfalls genannt wurde, dementierte jedoch, Libyen verlassen zu haben. „Das ist falsch“, sagte er.

Mit Material von dpa, dapd, AFP und Reuters